Bericht über die 16. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln

'Tagt ihr jetzt am Montag?', fragten so manche Neuköllnerinnen und Neuköllner verwundert.

Nein, der reguläre Sitzungstermin wird weiter ein Mittwoch sein, aber durch die Blockadehaltung der AfD-Fraktion war diese Sondersitzung notwendig geworden, damit wenigstens ein Teil der liegengebliebenen Anfragen und Anträge abgearbeitet werden konnte.

Die Tagesordnung bestand aus 59 Seiten mit vertagten Drucksachen (Drs).

  1. Zu Beginn gab es immerhin eine kleine Konsensliste der zurückgezogenen Anträge, ansonsten verweigert sich die AfD aber weiterhin, der BVV durch eine Konsensliste effektiveres Arbeiten zu ermöglichen.
     
  2. Dann folgte die vertagte Drs 0089/XX zur geschichtlichen Aufarbeitung der Benennung der Wissmannstrasse nach einem preußischen Kolonialverbrecher. Wohl aus Frust darüber, dass sie ihre Redezeit dazu bereits in der vorangegangenen Sitzung verbraucht hatten und nun nicht mehr von der „glorreichen Kolonialzeit“ labern konnten, wurde – wer hätte Anderes erwartet – von der AfD- Fraktion eine geheime Abstimmung beantragt. Diesmal ging alles deutlich schneller, da zusätzliche Wahlkabinen aufgestellt wurden. Dem Antrag wurde zugestimmt, so dass es eine geschichtliche Aufbereitung zur Wissmannstrasse geben wird.
     
  3. Bei der Abstimmung zur Beschlussempfehlung Drs 0087/XX, dass Neukölln sich um die Auszeichnung „Kinderfreundliche Kommune“ bewerben soll, ging es dann wieder los. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Lüdecke hetzte gegen „Neubürger“, die trotz „dicker Autos“ Sozialleistungen erhalten würden, während andere Kinder in Armut leben müssten.  Letztendlich gab es eine Zustimmung zur Empfehlung bei Nein der AfD.
     
  4. Weiter ging es mit Drs 0368/XX über die Einstellung einer hauptamtlichen Leitung für dieSeniorenfreizeitstätten. Auch hier konnte sich die AfD nicht zurückhalten und fragte nach, wem von den „Altparteien“ dieser Posten „zugeschanzt“ werde. Auch hier endete die Abstimmung mit Zustimmung bei Nein der AfD.
     
  5. Drs 0332/XX beantragte die Durchführung einer Fachkonferenz zur Jugendberufsagentur. Auch hier tat sich die AfD mit einem Redebeitrag von Lüdecke hervor, „ob es nicht wichtigere Dinge in Neukölln gäbe als diese Fachkonferenz“. Ausbildung und Betreuung von Jugendlichen im Bezirk ist der AfD offensichtlich nicht wichtig. Dafür hielten die Rechten die ganze BVV mit einer endlosen Debatte über den Standort einer Bushaltestelle auf, welcher gar nicht in den Entscheidungsbereich des Bezirks fällt. Die Abstimmung ergab ein Ja bei Nein der AfD.
     
  6. Drs 0370/XX, 0371/XX und 0346/XX konnten beschlossen werden. Mit diesen Anträgen regt die BVV an, dass auch die Mitglieder der Seniorenvertretung eine Aufwandsentschädigung erhalten, dass die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Donaustraße geprüft wird und dass die Beschaffung fair produzierter Sportkleidung gefördert wird.
     
  7. Drs 0390/XXGut und sicher ankommen im Estrel“ wurde beschlossen. Damit wird eine bauliche Verbesserung der Zuwege zum Hotel (zum Beispiel bei der Beleuchtung) gefordert. Die Fraktion der LINKEN hat mit Nein gestimmt, da eine „attraktive Weggestaltung“ Sache des Hotels sein sollte.
     
  8. Drs 0454/XX  „Alle Jahre wieder – Silvesterchaos in Neukölln?“ über die Schäden durch Vandalismus und den unverantwortlichen Gebrauch von Feuerwerk zum Jahreswechsel beantwortete die neue Stadträtin Korte für die Bürgermeisterin. Marlis Fuhrmann erläuterte in ihrem Redebeitrag, warum die Fraktion DIE LINKE für ein Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern an Privatpersonen ist, obwohl sie persönlich Feuerwerke sehr mag, aber als Großfeuerwerke in professionellen Händen und nicht „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auf den Straßen.

    Fast alle Mitglieder der AfD-Fraktion meldeten sich zu diesem Thema und glänzten mit Aussagen wie den folgenden: Der Verordnete Piehl vertrat die Meinung, das Schengen-Abkommen über offene Grenzen in Europa sei schuld. Verbote würden gar nichts nützen, stattdessen solle man die Grenzen zumachen, dann würden auch keine „Polenböller“ eingeführt. Der Verordnete Schröter ignorierte in seiner Anrede „Herr Vorsteher, verehrte Kollegen“, die Anwesenheit von Frauen in der BVV (da ja bei der AfD keine sind) und ereiferte  sich darüber, dass wir „dem Bürger seinen Spaß einmal im Jahr nehmen wollen“.
     
  9. Drs 0456/XXKann gefährliches Verkehrsverhalten wirksam bekämpft werden?“ Hierzu gab es einen sehr guten Redebeitrag von Ahmed Abed für DIE LINKE, der anführte, dass die 80.000 jährlichen Anzeigen in Neukölln wegen Verkehrsverstößen zeigen, dass die Verkehrspolitik der letzten Jahre gescheitert ist. Die Parksituation ist desaströs und da helfen auch keine Schwerpunktkontrollen, um das verkehrswidrige Verhalten zu ändern. Parkraumbewirtschaftung, wie von den Grünen vorgeschlagen, bevorteilt diejenigen, die es sich leisten können. Öffentliche Verkehrsmittel und Fahrradwege müssen ausgebaut werden, statt der Förderung von Autoverkehr, wie in den letzten Jahrzehnten.
     
  10. Kurz nach 22 Uhr wurde ein vorgezogener Antrag der AfD (Drs 0515/XX) behandelt, der den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung auffordert, sein Amt niederzulegen. Grund dafür war, dass der Vorsteher in der Dezembersitzung der BVV den Fraktionsvorsitzenden der AfD des Saals verwiesen hatte, nachdem dieser wiederholt gegen andere Fraktionen ausfällig geworden war und Drohungen ausgestoßen hatte.

    Da es sich hierbei um eine Personensache handelte, wurde der Antrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt. Zur Begründung gab es wieder einmal falsche Anschuldigungen und Beleidigungen von der AfD. Natürlich wurde der Antrag von der Mehrheit der BVV abgelehnt.
     
  11. Was hat Neukölln vom Haushaltsüberschuss von 2,16 Mrd. Euro in 2017 im Land Berlin?

    Abschließend wurde noch die Große Anfrage Drs 0458/XX des haushaltspolitischen Sprechers der LINKEN, Thomas Licher, behandelt. Er fragte danach, ob dem Bezirk Neukölln vom Haushaltsüberschuss des Landes Berlin von 2,16 Milliarden Euro aus dem Jahr 2017 etwas zugute kommt. In seinem Redebeitrag wies Thomas Licher auf eine Vielzahl von weiteren Aufgaben hin, für die der Bezirk zusätzliches Geld dringend nötig hätte. Dazu zählt beispielsweise mehr Personal für die Ausweitung des Milieuschutzes und zur Wahrnehmung des bezirklichen Vorkaufsrechts von Spekulations-Immobilien.

    Die Antwort des Bezirksamts fiel leider schwach aus: Wegen des noch ausstehenden Haushaltsabschlusses vom Land Berlin Ende März 2018 könnte noch nichts Genaues gesagt werden. Aber es wurde leider bereits deutlich, dass der Bezirk Land kein zusätzliches Geld für eine bessere Erfüllung der Aufgaben für die Neuköllnerinnen und Neuköllner erhalten wird.  Denn anstatt die Milliardenüberschüsse  für die Verbesserung der sozialen Infrastruktur, zum Beispiel bei Kitas, Schulen und Krankenhäusern zu verwenden, zahlt Berlin bei historisch niedrigen Zinsen lieber frühzeitig Schulden ab. Obwohl die Bezirke in den brutalen Kürzungshaushalten der vergangenen Wahlperioden bis zur Handlungsunfähigkeit kaputtgespart wurden, gehen sie auch in diesen finanziell guten Zeiten leer aus.

 

Damit endete die Sitzung, obwohl bei Weitem nicht alle vertagten Drucksachen behandelt werden konnten.