Bericht über die 19. öffentliche Sitzung der BVV Neukölln

Lärm im Weserkiez | Recht auf Beistand | Schulbauzentrale in Neukölln | Asbest | Hetze gegen Dar-As-Salam-Moschee

Auf der BVV-Sitzung bei Rekordtemperaturen am 30. Mai zeigten sich wieder einmal deutlich die vielen Herausforderungen in Neukölln. Gegen Gängelungen der Neuköllner*innen durch Ämter konnte ein Fortschritt erreicht werden, beim Schutz der Mieterinnen und Mieter ist hingegen ein langer Atem gefragt.

Neues Mitglied bei der Linksfraktion Neukölln

Die 19. Sitzung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung bestritt die Fraktion der LINKEN in neuer Besetzung: Tony Pohl hat sein Mandat niedergelegt und unterstützt die Fraktion nun als Geschäftsführer. Sein Nachfolger, Christian Posselt, ist für viele kein Unbekannter: Bereits in der vergangenen Wahlperiode war er Mitglied der Fraktion. Jetzt umfasst Christians Aufgabengebiet die Jugend- und Gesundheitspolitik.

Lärm durch Tourismus im Weserkiez

Diesmal begann die BVV mit vier Einwohneranfragen, von denen zwei sich auf Einzelheiten eines Bebauungsplans im Neuköllner Gewerbegebiet bezogen. Offenbar hatten die beiden Fragestellenden zuvor widersprüchliche Auskünfte erhalten. Eine weitere Anfrage bezog sich auf die „Lärmbelästigung und Verwahrlosung des Weserkiez durch Gastronomie und Tourismus“. Gefragt wurde insbesondere nach dem Bearbeitungsstand einer Untersuchung des Gebiets, auf deren Grundlage die Genehmigung weiterer gastronomischer Betriebe versagt werden können soll. 

Laut dem Bezirksamt wird diese Untersuchung derzeit vorbereitet. Ferner sollen die gastronomischen Betriebe ab August dieses Jahres verpflichtet werden, ihre Genehmigungen für die Nutzung des öffentlichen Raums gut sichtbar aufzuhängen. Denn es ist zu vermuten, dass die Gastwirte häufig gegen die ihnen gemachten Auflagen verstoßen. So werden häufig die Zeiten der Nachtruhe missachtet, ein zu großer Teil der Bürgersteige in Beschlag genommen und die Tische und Stühle nachts nicht weggeräumt. Die neue Regelung soll die Überprüfung erleichtern.

Ämter sollen explizit auf das Recht auf Beistand hinweisen

Einstimmig beschloss die BVV einen Antrag der sozialpolitischen Sprecherin der LINKEN, Doris Hammer, der die Rechte der Neuköllner*innen gegenüber den Behörden stärkt. Zukünftig sollen alle Einladungen zu persönlichen Gesprächsterminen einen Hinweis auf das Beistandsrecht enthalten. Insbesondere das Jobcenter Neukölln hat immer wieder versucht, zu verhindern, dass Betroffene zu Terminen eine Person zur Unterstützung mitbringen. Dieses Vorgehen dürfte ein Ende haben, wenn der Antrag umgesetzt wird.

Schulbauzentrale in Neukölln

Eine erfreuliche Mitteilung machte der Bürgermeister, Martin Hikel: Der Rat der Bürgermeister hat beschlossen, dass die Geschäftsstelle für den Schulbau der Bezirke wie ursprünglich geplant in Neukölln entstehen wird. Bleibt zu hoffen, dass diese schnell die Arbeit aufnimmt, denn der Sanierungsbedarf an Schulen ist gewaltig. Darauf wies auch die vierte Einwohneranfrage hin, mit der eine Elternsprecherin die unhaltbaren baulichen und hygienischen Zustände in der Grundstufe des Campus Rütli anprangerte. Hier sollen laut dem Bezirksamt aber zunächst nur eine andere Reinigungsfirma und neue Möbel für Abhilfe sorgen.

Gesundheitsgefährdung durch Asbest in Wohnungen

Enttäuschend fiel die Antwort des Bezirksamts auf die große Anfrage der wohnungspolitischen Sprecherin der LINKEN, Marlis Fuhrmann, aus. Sie hatte danach gefragt, wie der Bezirk Mieterinnen und Mieter unterstützen kann, in deren Wohnungen das krebserregende Asbest verbaut ist, zum Beispiel durch einen „Sanierungsfahrplan“ oder Einwirken auf die Eigentümer der betroffenen Häuser. Neukölln ist wegen des großen Wohnungsbestands aus den 1960er und 1970er Jahren besonders stark vom Asbestproblem betroffen. Doch der zuständige Stadtrat versteckte sich hinter der Zuständigkeit des Senats und der personellen Unterbesetzung im Wohnungsamt. 

In der Debatte zeigte die SPD wieder einmal ihr Herz für Vermieter: Die Kosten von 6000 bis 8000 Euro pro Wohnung für eine Sanierung würden die Eigentümer überlasten – dabei investieren Vermieter deutlich mehr in „wohnwerterhöhende“ Maßnahmen, die sich auf die Miete umlegen lassen. „Wenn Investoren meinen, die Asbestsanierung nicht zahlen zu können“, bemerkte dazu Marlis Fuhrmann, „dann müssen die Wohnungen eben wieder in Hand von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften übergehen.“ DIE LINKE fordert, die Gesundheit der Mieterinnen und Mietern muss Vorrang haben vor den Gewinninteressen der Vermieter! 

Im Zuge dieser Debatte stellte sich außerdem heraus, dass das Bezirksamt immer noch keine Ausschreibung gemacht hat für die vorbereitenden Untersuchungen zur Einrichtung weiterer Milieuschutzgebiete z.B. in der Gropiusstadt. Dabei wurde ein entsprechender Antrag in der BVV bereits vor einem dreiviertel Jahr beschlossen. Der Stadtrat für Stadtentwicklung und Wohnen, Jochen Biedermann, begründete dies mit der Überlastung seines Amts. Dies erscheint jedoch wenig einleuchtend, denn solche Ausschreibungen hat das Bezirksamt ja bereits mehrmals getätigt und müsste auf diese Erfahrungen schnell zurückgreifen können.

CDU Neukölln: islamfeindlich und rückständig

Wieder einmal hatte der CDU-Stadtrat für Jugend und Gesundheit, Falko Liecke, sein Amt dazu genutzt, politische Propaganda zu betreiben. In einer offiziellen Presseerklärung warf er der Dar-As-Salam-Moschee in der Flughafenstraße vor, „die nächste Generation von Islamisten“ ausbilden zu wollen und forderte ein Verbotsverfahren. Durch mündliche Anfragen dazu aufgefordert, musste Liecke zwar zugeben, dass dies nicht die Position des gesamten Bezirksamts wiedergebe, erging sich aber danach in weiteren Unterstellungen und Verdächtigungen in Bezug auf die Moschee.

Entgegen seiner verzerrenden Darstellung ist die Dar-As-Salam-Moschee jedoch weit über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt für ihr soziales Engagement und das Bemühen um den intrerreligiösen Dialog. Dafür erhielt der dortige Imam auch bereits den Verdienstorden des Landes Berlin. Mit seiner verunglimpfenden Hetze versuchte Liecke offensichtlich, am rechten Rand zu fischen.

Mit ihrer großen Anfrage zu „polizeilichen Maßnahmen gegen Drogenkriminalität in und um die Hasenheide“ bewiesen die Verordneten der FDP, dass „liberal“ für sie nur noch „wirtschaftsliberal“ bedeutet. Sie riefen laut nach mehr Polizei und Repression. Dabei wurden sie von der CDU noch übertönt: Überwachen, verhaften, wegsperren und verdrängen lautet ihr altbekanntes Rezept im Hinblick auf Drogenkonsum. Gesundheitsstadtrat Liecke wiederholte gar noch seine alte Forderung, den Volkspark Hasenheide einzuzäunen und Eintritt zu verlangen. 

Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Thomas Licher, hielt dagegen, polizeiliche Repression würde nur zur Verdrängung an andere Orte führen, wie wir im Bezirks bereits mehrfach erlebt haben. Stattdessen plädierte er für eine Legalisierung weicher Drogen, wie es in anderen Ländern zunehmend geschieht. Dazu muss natürlich auch die Prävention und die Unterstützung von Suchtkranken ausgebaut werden. Immerhin von den Grünen gab es hier Unterstützung.

Aktuelle Wahlprognosen haben ergeben, dass die CDU in Neukölln deutlich in der Gunst der Wähler sinkt. Anstatt dass die Partei ihre rückständigen Positionen überdenkt, versucht sie aber offenbar, mit rechten Reden bei der Anhängerschaft der AfD zu punkten.

Bleibt noch zu erwähnen, dass hauptsächlich wegen der Selbstdarstellungsbemühungen der CDU wieder nur ein Bruchteil der Drucksachen bearbeitet werden konnte.