Bericht von der 33. Sitzung der BVV Neukölln

Carla Aßmann

Mieterinis: Wir haben da noch ein Wörtchen mitzureden! | Volksbegehren Saubere Schulen: Kritik an überlasteten und unterbezahlte Reinigungskräfte bei den Privaten | Werben für's Sterben: Durchgewunken | Immobilienhai Akelius: Ausnutzung von Sanierungsmaßnahmen | Arbeit der BVV lahmgelegt: Neue Tricks der AfD | Hoffnungsschimmer: Erinnerung an Werner Seelenbinder

Angst vor Verdrängung und saubere Schulen

Die BVV-Sitzung am 10. April startete mit einer Kundgebung der Mieteninitiativen „ULLI“ und „Löwensteinring“ aus der Gropiusstadt vor dem Rathaus. Unter dem Motto „Wir haben da noch ein Wörtchen mitzureden!“ forderten sie, in die Verhandlungen zwischen dem Bezirksamt und ihren Vermietern, der Deutschen Wohnen (DW) und Gropiuswohnen, über die Sanierungsmaßnahmen in ihren Häusern einbezogen zu werden. Mit Einwohneranfragen trugen sie dieses Anliegen auch in den BVV-Saal. Eine Mieterin fragte nach den Sanierungsplänen der Gropiuswohnen, die starke Mietsteigerungen zur Folge hätten. Die Maßnahmen, antwortete Stadtrat Biedermann, seien zwar im Moment untersagt worden, jedoch streiten sich das Bezirksamt und Gropiuswohnen derzeit darüber, ob der Bau ein Hochhaus ist ‒ in dem Fall brauchte die Gropiuswohnen nämlich keine Genehmigung.

Ein Mieter der DW erkundigte sich nach der geplanten energetischen Sanierung in seinem Haus. Die Außenwände waren nämlich bereits im Jahr 2001 gedämmt worden, nun will die Deutsche Wohnen erneut eine teure Dämmung aufbringen und die Kosten auf die Mieter abwälzen. Leider kann die DW an der alten Dämmung Mängel nachweisen und die Neusanierung lässt sich nicht verhindern. Auch ansonsten sind die Belastungen durch die Modernisierungsarbeiten groß. Allerdings ist es allein schon ein Erfolg für die aktive Mieterschaft, dass das Bezirksamt der DW Zugeständnisse abgerungen hat. Sich wehren hilft!

Ein Neuköllner fragte nach den Vergabekriterien und der Qualitätskontrolle, wie sie derzeit bei privaten Reinigungsfirmen stattfindet. Das Bezirksamt beteuerte zwar, dass neben dem Preis auch das Qualitätsmanagement eine Rolle spiele, dennoch sind die Reinigungskräfte unterbezahlt und überlastet und die Schulen zum Teil keineswegs sauber. Deshalb hat eine Initiative ein Einwohnerbegehren eingereicht, das fordert, der Bezirk soll die Schulreinigung wieder selbst organisieren, statt sie an gewinnorientierte Privatunternehmen auszulagern.

Eine weitere Anfrage betraf das Grundstück Hobrechtstraße Ecke Sonnenallee. Vor einem Jahr wurde die Esso-Tankstelle abgerissen, seitdem ist nichts passiert. Laut dem Bezirksamt plane der Besitzer dort ein Wohn- und Geschäftshaus, melde sich aber nun nicht mehr. Soviel zum vorgeblichen Willen privater Investoren, Wohnungen zu schaffen, der von der Verwaltung ausgebremst würde. Eine Einwohneranfrage nach dem Käufer des Mietshauses Elsenstraße 75 konnte erfreulicherweise entfallen: Der Bezirk hat dort inzwischen sein Vorkaufsrecht ausgeübt.

Werben für's Sterben: Durchgewunken

Nachdem der Berliner Landesparteitag der SPD beschlossen hat, sich gegen Werbung der Bundeswehr an Schulen zu stellen, brachte die Gruppe der FDP in der BVV Neukölln eine Entschließung ein, in der sie ebendiese Werbung ausdrücklich unterstützt.

Bedauerlicherweise überholte die Neuköllner SPD ihre Partei mal wieder rechts, indem sie die Entschließung zwar ein wenig abmilderte, damit aber dem Anliegen grundsätzlich zustimmte. Auch die Grünen bekennen sich offenbar weiterhin zur militaristischen Linie, die unter Joschka Fischer ihren Anfang nahm, und stimmten der Entschließung zu. Einzig DIE LINKE stimmte gegen die Werbung für die Waffe.

Mieterschutz von finanzstarken Immobilienunternehmen unterlaufen

Vor allem große Immobilienunternehmen nutzen Sanierungsmaßnahmen, um Mieter*innen durch jahrelange Bauarbeiten und Mieterhöhungen zu verdrängen. Auch im Milieuschutzgebiet sind Dachausbau und gewisse Modernisierungsmaßnahmen erlaubt. Von diesen Möglichkeiten macht der Investor Akelius auch in der Weser- und Weichselstraße Gebrauch. Milieuschutzanhörungen fanden da erst nach Beginn der Baumaßnahmen statt und die Mieter*innen leiden seit Monaten und Lärm, Schmutz und der Angst vor Mietsteigerungen. Auch ein Kindergarten ist bedroht. Einige haben bereits aufgegeben und sind ausgezogen, nachdem ihre Wohnungen wochenlang eine Baustelle waren. Besonders perfide: Nach ihrem Auszug werden die frisch sanierten Wohnungen erneut modernisiert, und so die Mietpreisbremse umgangen. Eine mündliche Anfrage der LINKEN brachte zutage, dass das Bezirksamt wenig gegen solche Praktiken ausrichten kann. Um die Mieter*innen wirksam zu schützen, muss wohl tatsächlich erst enteignet werden.

Arbeit der BVV lahmgelegt: Neue Tricks der AfD

Die Neuköllner Fraktion der AfD schafft es weiterhin, eine sinnvolle Arbeit der gesamten BVV zu verhindern. Nun besprechen sie im großen Plenum noch einmal alle Anträge, die bereits in den zuständigen Ausschüssen ausgiebig behandelt worden sind. Dazu verlangten sie zweimal die namentliche Abstimmung über ihre Anträge, die von den Ausschüssen mit einer eindeutigen Empfehlung zurückgekommen waren. Das Ergebnis: Auch in dieser Sitzung konnten wieder nicht alle bereits vertagten Drucksachen behandelt werden.

Erinnerung an Werner Seelenbinder

Einen Hoffnungsschimmer gab es am Ende der Sitzung dann doch noch: Der Antrag der LINKEN, an der Grabstätte des kommunistischen Sportlers und Widerstandskämpfers gegen die NS-Diktatur eine Gedenktafel aufzustellen, sollte eigentlich nach der Empfehlung des Ausschusses abgelehnt werden. Doch plötzlich signalisierte die SPD ein Entgegenkommen. Es wurde beschlossen, den Antrag noch einmal zu vertagen, um bis dahin eine Lösung für die Finanzierung zu finden.