Bericht von der Bezirksverordnetenversammlung am 22.08.12

1. Einwohnerfragestunde und Wort des Bürgermeisters

2. Antrag der LINKEN zur Verlängerung des Kündigungsschutz

3. Mündliche Anfrage

4. Finanzelle Kürzung bei den Neuköllner Pflegestützpunkte

5. Kein Wegfall der Förderstunden an Neuköllner Grundschulen

6. Frage nach neuen Sozialarbeitern bei Jugend und Gesundheit

7. Präventionskette

8. Bauvorhaben von ECE in Neukölln?

9. Kita-Versorgung sichern

10. Die Anträge

 

1.Einwohnerfragestunde und Wort des Bürgermeisters

Leider fand keine Einwohnerfragestunde statt, da es über den Sommer keine Anfragen von Neuköllnerinnen und Neuköllner gegeben hatte. Das ist schade, da die Bürger damit die Möglichkeit haben auf Probleme und Missstände hinzuweisen.

Der Bürgermeister ging auf das provokante Auftreten von „Pro Deutschland“ am 18.08.12 vor zwei Moscheen in Neukölln ein. Die Neuköllnerinnen und Neuköllner haben den alten und neuen Nazis auf friedlichen Weg sehr deutlich gemacht, dass die islamfeindlichen Provokationen keinen Erfolg in Neukölln haben.

An der Stelle soll auch an die von der Fraktion DIE LINKE angeregte gemeinsame Presseerklärung der Fraktionen von SPD, Grüne, Piraten und LINKE zur Unterstützung des Aufrufs des „Bündnis Neukölln Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt“ erinnert werden.

 

2. Antrag der LINKEN zur Verlängerung des Kündigungsschutz angenommen

Obwohl die LINKE in der Neuköllner BVV die kleinste Fraktion stellt und an der Zählgemeinschaft nicht beteiligt ist, konnte in der Frage des  Mieterschutz ein Erfolg erzielt werde. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE vom Juni 2012 zur Verlängerung des Kündigungsschutzes auf sieben Jahre bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wurde schon im Stadtplanungsausschuss von allen Fraktionen mit minimalen Änderungen angenommen und wurde im August in der BVV im Konsens aller Parteien beschlossen. Jetzt liegt es am Bausenator Müller, den dringenden Wunsch der Neuköllner nachzukommen oder weiter den Profitinteressen der Haus- und Wohnungseigentümer zu folgen.

 

3. Mündliche Anfrage

Die Fraktion der LINKE hat nach dem Zustand des Brandschutzes an den Neuköllner Schulen gefragt. In der Berliner Zeitung am 20.08.12 war über erhebliche Mängel berichtet worden. Der Bürgermeister beantwortete die Frage und sagte zu, dass die schwerwiegendsten Mängel an zwölf Schulen, innerhalb dieses Jahres bei sieben und im kommenden Jahr bei den anderen vier Schulen, beseitigt werden würden. Bei den weiteren Schulen würde es sich um kleinere Mängel handeln, die im Zuge allgemeiner Maßnahmen behoben werden würden.

Die zweite mündliche Anfrage von Marlis Fuhrmann zum Baumschutz bei Baumaßnahmen konnte nicht mehr angesprochen werden und wird vom

Bezirksamt schriftlich beantwortet werden. Erwähnenswert ist auch die Frage der Grünen zu der rechtsgerichteten Aktion in den Gropius- Passagen.

Schade dass nach der Geschäftsordnung nur 45 Minuten für die Mündlichen Anfragen vorgesehen sind und die Fragen nach der Stärke der Fraktionen behandelt werden. Während die SPD nach einem schon beseitigten Wespennest in der Sporthalle der Bruno-Taut-Schule fragte, konnte zum Beispiel die wichtige Frage zum Bildungs- und Teilhabepaket nicht behandelt werden.

 

4. Finanzelle Kürzung bei den Neuköllner Pflegestützpunkte in 2013

Die SPD hatte nach der Streichung der Mittel für die Pflegestützpunkte im kommenden Jahr gefragt und einen entsprechenden Antrag gestellt. Dabei benötigt Neukölln zusätzliche Mittel für die Einrichtung eines dritten Pflegestützpunkts beispielsweise in der Gropiusstadt. Neben den beiden gut angenommen Pflegestützpunkte in der Werbellinstraße und der Donaustraße in Nordneukölln wird noch dringend ein dritter Stützpunkt im Süden benötigt. In Südneukölln wohnen die Mehrzahl der Älteren und Pflegebedürftigen. Für Berlin waren ursprünglich 36 Pflegestützpunkte vorgesehen und bisher sind nur 26 geschaffen worden. Es war vorgesehen pro 100.000 Einwohner einen Pflegestützpunkt einzurichten.

Laut der Antwort des zuständigen Stadtrates sind derzeit kleinere Kürzungen bei beiden vorhandenen Pflegestützpunkten vorgesehen.

Bedeuten diese Kürzungen, dass der dritte Pflegestützpunkt nicht kommt? Die Neuköllner Verwaltung muss sich unbedingt für die Einrichtung des dritten Stützpunktes einsetzen. Hier ist auch der Neuköllner CDU-Vorsitzende als Staatssekretär in der Senatsgesundheitsverwaltung in die Pflicht zu nehmen. Der Antrag gegen die Kürzung wurde von allen Fraktionen unterstützt.

 

5. Kein Wegfall der Förderstunden an Neuköllner Grundschulen

In der Großen Anfrage von Erika Mourgues geht es um den Wegfall von Förderstunden an Neuköllner Grundschulen im Schuljahr 12/13. Dabei sollen an 19 Grundschulen und an vier Sonderfördereinrichtungen mit Grundschulbereich insgesamt über 400 Stunden eingespart werden.

Die sozialdemokratische Schulsenatorin Scheres möchte die an den Grundschulen weg gekürzten Stunden für administrative Tätigkeiten der stellvertretenden Schulleiter verwenden. Sicher ist es richtig, dass wenn den Schulen immer mehr Aufgaben übertragen werden, die Leitungen der Schulen von den Unterrichtsverpflichtungen zu entlastet sind. Aber auf keinen Fall darf das auf Kosten der Berliner Grundschüler passieren. In keinem anderen europäischen Land hängt der Schulerfolg so stark von der sozialen Herkunft ab, wie in der Bundesrepublik Deutschland. Der Wegfall der Förderstunden ist ein weiterer Schritt, der diesen unhaltbaren Zustand verstärkt.

Die Anfrage wurde von den Grünen unterstützt und es gab mit der zuständigen Stadträtin einvernehmen, dass die Förderstunden in Neukölln unbedingt erhalten bleiben sollen. Die Vertreter von SPD und CDU wurden aufgefordert, sich bei Ihren Abgeordnetenhausfraktionen für den Erhalt der Förderstunden an den Neuköllner Grundschulen einzusetzen.

Bedauerlich war, dass in dieser wichtigen Frage sich die großen Fraktionen nicht beteiligt haben und weder von der SPD, noch von der CDU gab es eine Stellungnahme. Auch von den Piraten war mal wieder nichts zu hören.

In ihrem Redebeitrag wies Erika Mourgues für DIE LINKE auf die Wichtigkeit des vollständigen Erhalts der Förderstunden nicht nur an den sozialen Brennpunkten hin. Dabei wurde deutlich wie die Kürzungen der Förderstunden, dem proklamierten Zielen der Bildungssenatorin entgegengesetzt sind.

 

6. Frage nach neuen Sozialarbeitern bei Jugend und Gesundheit

Bei der Großen Anfrage der Grünen zu den „Haushaltssichernde Maßnahmen“ und dem Antrag „Keine Einsparungen von Personalmittel“ wurde nach den Sparbeschlüssen des Bezirksamtes vom 6. Juni 2012 beim Jugend- und Gesundheitsbereich gefragt.

Wegen der voraussichtlichen Überschreitung bei den HzE-Mitteln („Hilfe zu Erziehung“) bis zum Jahresende 2012 in Höhe von ca. 3,6 Mio. Euro hatte das Bezirksamt eine Reihe von Einsparungen vorgesehen. Darunter waren auch die dringend benötigten und schon fest eingeplanten neuen Sozialarbeiter im Bereich Jugend. Dabei wurden ein bestehender Konflikt zwischen der Tätigkeit  der ehemaligen Jugendstadträtin Vonnekold und der SPD-Stadträten fortgesetzt und ihr wurde einmal mehr von der Zählgemeinschaft die Schuld an der Überschreitung der Ausgaben zugeschoben. Dabei handelt es sich bei HzE um eine gesetzliche Pflichtaufgabe, bei der eigentlich nicht gekürzt werden darf.

Obwohl es in der letzten Wahlperiode schon große Probleme mit den Ausgaben bei HzE gegeben hatte, war im Februar diesen Jahres die Mehrheit der Zählgemeinschaft aus SPD und CDU in der Neuköllner BVV nicht bereit, bei der Verabschiedung des Bezirkshaushalts für diese wichtige Aufgabe ausreichend finanzielle Mittel einzustellen. Stattdessen bekam der neue Juniorpartner CDU in der Zählgemeinschaft den „ungeliebten“ Jugendbereich und soll jetzt sehen, wie der Mangel zu Lasten der hilfebedürftigen Kinder und Jugendlichen behoben werden kann. Die Fraktion DIE LINKE hatte den Doppelhaushalt 2012/13 von Neukölln unter anderem auch wegen der Unterfinanzierung im Jugendbereich abgelehnt. Es ist zu befürchten, dass die chronische Unterfinanzierung das Problem zu einem Dauerthema der BVV machen wird. Der Antrag von den Grünen und den LINKEN „Keine Einsparungen von Personalmittel“  mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt. Die Fraktion der Piraten fand keine einheitliche Position zu dem Antrag.

 

7. Präventionskette

Bei der Anfrage der Piraten ging es dem Titel nach um die Einrichtung einer frühkindlichen Präventionskette in Neukölln, wie es die Stadt Dormagen in NRW schon in den 90iger Jahren erfolgreich eingeführt hatte. Dabei sollen Entwicklungsdefizite von Kindern möglichst früh erkannt und durch eine schnelle Hilfe umgehend gegengesteuert werden. Dabei soll einerseits den Familien geholfen werden und andererseits spätere Förderkosten vermieden werden. Leider ist dieses eigentlich nachhaltige und sinnvolle Projekt noch nicht auf dem Weg gebracht worden und an andere Stelle wird bereits bei den Förderstunden und den „Hilfen zur Erziehung“ der Rotstift angesetzt. Auf die konkreten Fragen zu den Inhalten und Maßnahmen antwortete der Jugend- und Gesundheitsstadtrat sehr zurückhaltend und ausweichend.

Weiter verwies auf die am 08.08.12 stattgefundene Neuköllner Präventionskonferenz. Der Stadtrat befand, dass dort besonders offen und breit über das Thema gesprochen worden war und konstruktiv viele Flipcharts beschrieben worden waren. In der Frage wurde von der LINKEN angemerkt, dass sei ausgesprochen bemerkenswert, weil es schon frühzeitig nicht mehr möglich war, sich bei der besagten Konferenz anzumelden, sondern sogar über 70 Teilnehmer wieder ausgeladen wurden. Wenn man so ein großes Interesse geweckt hat, sollte man sich besser nach einem größeren Konferenzraum umsehen, anstatt auszuladen und dann

von Transparenz zu sprechen. Hoffentlich wird das bei der zweiten Präventionskonferenz im Dezember vom Bezirksamt berücksichtigt werden. Nach dem endlich der Anfragesteller zu Wort gekommen war, merkte er an, das der Titel unglücklich gewählt worden war und er eigentlich nach den 33 angekündigten Maßnahmen des Jugendstadtrates zur Kostensenkung gefragt habe. Auch hier blieb die Antwort unzureichend und es wurden sehr allgemeine Aussagen gemacht.

Grade bei diesem Punkt war die Sitzungsleitung schwach und einen Reihe von Wortmeldungen gingen unter und die Bezirksverordneten mussten wegen eines Wortbeitrages mehrfach auf sich aufmerksam machen.

 

8. Bauvorhaben von ECE in Neukölln?

Bei der zweiten Großen Anfrage der LINKEN hat Marlis Fuhrmann nach der Mitgliedschaft des Bürgermeister Buschkowsky im Beirat der Stiftung „Lebendige Stadt“ gefragt. Die Stiftung wird von ECE - einer europaweit agierenden „Einkauf Center Entwicklungsgesellschaft“ – finanziert.

Hinter der ECE soll der Eigentümer des Otto-Versand stehen und bekannt geworden ist die Entwicklungsgesellschaft durch die Verquickung mit dem umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart21. Der Bürgermeister bestätigte die Mitgliedschaft und gab an, dass in Neukölln keine Projekte von der ECE geplant wären. Weiter ist die

Tätigkeit ausschließlich ehrenamtlich und er wäre auch in einer Stiftung der Telekom tätig.

In der folgenden Debatte verglichen verschiedene Bezirksverordnete der Zählgemeinschaft die ECE mit kleinen, lokalen und karitativen Stiftungen. Einen Unterschied zwischen der Mitarbeit in einer regionalen Sportförderstiftung und der Mitarbeit in einer europaweit agierenden „Entwicklungsgesellschaft“ vermochten sie scheinbar nicht zu erkennen. Dieses sehr unverständlicher Verhalten sollte wohl die Verbindung des Bürgermeisters zu der ECE Stiftung. Die Beiträge lassen vermuten, dass dem Bürgermeister die Anfrage von Marlis Fuhrmann unangenehm war.

Von Marlis Fuhrmann wurde in der Debatte deutlich hervorgehoben, dass die Mitarbeit in einer derartigen Stiftung zu erheblichen Interessenskonflikten führen kann. Zumal die Stiftung „Lebendige Stadt“ von vielen Initiativen (z.B. Lobbycontrol) und in verschiedenen Zeitungsberichten als Lobbyorganisation beschrieben wird.

 

9.Kita-Versorgung sichern

Wegen der schon sehr fortgeschritten Zeit wurde bei der dritten großen Anfrage der LINKEN zur Frage der Kita-Versorgung keine längere Debatte geführt. Die Anfrage hatte aber schon einen Teil ihres Zwecks erfüllt, weil schon im Vorfeld vom Bezirksamt im Ausschuss auf die Problematik eingegangen worden war. In Neukölln gibt es derzeit 11150 Kitaplätze, davon sind ca. 2500 beim Eigenbetrieb Südost. In der Anfrage wurde unter anderem nach der wohnortnahen Versorgung mit Kitaplätzen gefragt. Für Eltern ist besonders unangenehm, dass unter Einbeziehung des ÖPNV eine Wegezeit von 30 Minuten zumutbar wäre. Somit ist aus Sichtweise des Bezirksamts beinahe jeder Kitaplatz zumutbar und angemessen erreichbar. Bei der Anfrage war im Vorfeld schon der Kontakt wegen des auch für Neukölln zuständigen Kita-Eigenbetriebs Südost mit den Genossen aus Treptow-Köpenick gesucht worden.

 

10. Die Anträge

Die beiden Anträge der LINKEN zu den Bildungsgutscheinen und der Rückübertragung der Kleingartenkolonie Fliedergrund sind in die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden. Die von der LINKEN mit unterstützten Anträge der SPD gegen die „Finanzielle Kurzungen bei den Pflegestützpunkte in 2013“ und der Grünen „Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen“ wurden bereits im Konsens beschlossen.

Bemerkenswert war die schlechte Atmosphäre in der BVV. Am Wetter kann es nicht gelegen haben, denn die Temperaturen im Saal waren vertretbar. Die Stimmung im Saal und der Umgang zwischen den Fraktionen waren es nicht.

Die Sitzungsleitung hat keine gute Arbeit geleistet und besonders wenn es von den Fraktionen der Zählgemeinschaft lautstarken Widerspruch zu den Inhalten der Redner der Opposition gab, ist von Seiten des Präsidiums nur sehr verhalten um Ruhe gebeten worden. Besonders die CDU-Fraktion hat gestört, als der Jugend- und Gesundheitsstadtrat Lieke in Bedrängnis geriet. Auffallend war die zurückhaltende Unterstützung der SPD-Fraktion für Herrn Lieke.

Weiter hat bei der Anfrage der CDU zu der „Baustelle am Zwickauer Damm“ ein SPD-Bezirksverordneter den fragenden CDU-Bezirksverordneten wie einen Schuljungen behandelt und angemerkt, dass er sich erst mal innerhalb seiner eigen Fraktion sachkundig machen solle. Das sind recht ungewöhnliche Töne innerhalb der Zählgemeinschaft. Sollten schon nach einem Jahr im Neuköllner Bündnis von SPD und CDU die ersten Risse auftreten?

Der Vertreter der Grünen im Vorstand der BVV hat wegen mangelhafter Möglichkeit zur Beteiligung der Oppositionsparteien an der Sitzungsleitung zu Beginn der BVV schriftlich seinen Rücktritt aus dem Vorstand erklärt.

Thomas Licher/Moritz Wittler