Neun fehlende Ärzte im Neuköllner Gesundheitsamt?

Thomas Licher

Droht dem Gesundheitsamt Arbeitsunfähigkeit wegen Ärztemangel? Wir fragen nach.

1. Ist es richtig, dass - wie in einem Artikel des Tagesspiegels vom 11.10.2018 behauptet wird - in Neukölln derzeit neun Stellen im Gesundheitsamt unbesetzt sind, und wie viele ärztliche Stellen werden in den nächsten drei Jahren wegen altersbedingten Ausscheidens der Beschäftigten frei?

Derzeit sind nach Mustergesundheitsamt im Gesundheitsamt Neukölln 9,49 VZÄ ärztliche Stellen unbesetzt. Dies betrifft den Bereiche Hygiene- und Umweltmedizin mit 4 VZÄ, die Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung, Krebs und Aids mit 2 VZÄ, den Zahnärztlichen Dienst mit 2,02 VZÄ, den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst mit 1,83 VZÄ und den Sozialpsychiatrischen Dienst mit 0,87 VZÄ. Da im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst aktuell 1,23 VZÄ mehr als nach Mustergesundheitsamt vorgesehen tätig sind, ergibt sich die Zahl von 9,49 VZÄ, die derzeit unbesetzt sind. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Sozialpsychiatrischen Dienst 1,75 VZÄ ärztliche Stellen durch Psychologen besetzt wurden.

In den nächsten drei Jahren werden 4 Ärzte (4 VZÄ) altersbedingt ausscheiden. Darunter ist auch der derzeitige Leiter des Gesundheitsamtes Neukölln.

2. Was kann das Bezirksamt zusätzlich zum normalen Ausschreibungsverfahren noch unternehmen, damit die freien bzw. freiwerdenden Stellen umgehend besetzt werden, und ab welchen Fehlstand ist die bezirkliche Gesundheitsverwaltung arbeitsunfähig?

Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes kann in den Bereichen, in denen das ärztliche Personal fehlt, nur durch die Aufgabenübernahme von dafür nicht vorgesehenem und ausgebildetem Personal aufrechterhalten werden. Explizit Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten können nicht in hinreichendem Maße wahrgenommen werden.

Das Bezirksamt nutzt im Rahmen von Ausschreibungen neben dem Amtsblatt Berlin, unter anderem die Homepage des Bezirksamtes, das Karriereportal, die Plattform „bund.de“, die Jobbörse der Arbeitsagentur sowie das Deutsche Ärzteblatt. Darüber hinaus wurden für die Ausschreibung der Stelle des Leiters des Gesundheitsamtes auf die Möglichkeit der Veröffentlichung in Tageszeitungen zurückgegriffen. Allein für diese Ausschreibung hat das Bezirksamt rund 10.000,00 Euro aufgewendet.

Des Weiteren ist das Bezirksamt auf Jobmessen, wie zum Beispiel der „jobmedi“ vertreten, um Personal zu akquirieren. Auch die Ärztinnen und Ärzte des Gesundheitsamtes bemühen sich um Akquise, wenn sie auf Tagungen oder in Kliniken sind.

Gleichwohl ist es absehbar, dass zum Beispiel die Amtsleitung sowie die stellvertretende Amtsleitung nach dem altersbedingten Ausscheiden der aktuellen Stelleninhaber nicht nachbesetzt werden können. Ein Auswahlverfahren für die Amtsleitung scheiterte bereits aufgrund mangelnder Bewerberlage. Ein fachlich hoch geeigneter und sehr interessierter Bewerber hat vor dem Hintergrund der unzureichenden Vergütung – auch nach dem Ausreizen aller derzeit vom Senat eingeräumten Möglichkeiten – abgesagt. Der Wechsel nach Neukölln wäre für ihn mit einer Einkommenseinbuße von bis zu 20% verbunden gewesen.

Mit der derzeit möglichen Vergütung von Fachärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst ist das Land Berlin nicht wettbewerbsfähig. Die ohnehin knappe Verfügbarkeit von geeignetem und für die Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst bereitstehendem medizinischem Personal wird dadurch zusätzlich verschärft.

Im Namen der Bezirksstadträte für Gesundheit hat sich der Gesundheitsstadtrat aus Spandau zu diesem Thema am 6. Februar 2018 mit einem Schreiben an den Finanzsenator gewendet, um auf die dramatische Personalsituation in den bezirklichen Gesundheitsämtern aufmerksam zu machen und die prekäre Lage zu verdeutlichen. Nach Rücksprache mit dem Büro des Spandauer Gesundheitsstadtrates liegt dort bis zum heutigen Tag keine Rückmeldung seitens der Senatsverwaltung für Finanzen vor.

Des Weiteren wurde die in Rede stehende Problematik in den vergangenen Jahren mehrfach im Rahmen der Sitzungen des RdB-Fachausschusses angesprochen und auch in den Sitzungen der Gesundheitsstadträte auf die Tagesordnung genommen und breit diskutiert.

Kurzfristig kann das Bezirksamt jedoch lediglich alle tarifvertraglich grundsätzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen. Dies beinhaltet die Prüfung einer Vorweggewährung von Stufen sowie die Gewährung von Zulagen. Derzeit lässt die Senatsverwaltung für Finanzen jedoch auch hier nicht alle tarifrechtlichen Möglichkeiten zu.

Kurzfristig muss die Vergütung von Ärztinnen und Ärzten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau gebracht werden, um die personelle Besetzung und damit die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Land Berlin sicherzustellen. Ein entsprechender Bedarfsfall laut TV-L liegt offenkundig vor.

Hier gilt es seitens der Senatsfinanzverwaltung endlich zu einer fachlich getragenen Lösung im Sinne des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Berlin zu kommen, da wir in Berlin ansonsten nach und nach die Gesundheitsämter „abschließen“ müssen.