Bericht von der 44. Sitzung der BVV Neukölln

Thomas Licher

Gedenken an rassistische Morde von Hanaus | Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen | Neue Milieuschutzgebiete Germaniapromenade und Britz | AfDler Christian Blank auf Fotos mit Neonazi-Netzwerk | 75 Jahre Befreiung vom Faschismus in Neukölln gedenken | Diskussion um Karstadt-Pläne

Im Rathaus trat vor der BVV-Sitzung ein kleiner Chor aus St. Petersburg auf, der zum Teil aus Puschkin stammt. Dieser russische Stadtteil ist mit Neukölln durch eine Städtepartnerschaft verbunden. Zeitgleich versammelten sich ca. 150 Menschen auf dem Rathausvorplatz, um an die rassistischen Morde von Hanau zu erinnern.

Vor Eintritt in die Tagesordnung ergriff der Bürgermeister das Wort. Nachdem Martin Hikel die Namen der acht Männer und einer Frau vorgelesen hatte, die beim Anschlag von Hanau ermordet worden waren, erhoben sich Bezirksverordnete, Stadträte und die Gäste auf den Rängen zum Gedanken an die Opfer zu einer Schweigeminute.

Die BVV startete mit vier Einwohnerfragen, deren Fragesteller*innen alle anwesend waren. Besonders interessant waren die Fragen nach der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Milieuschutzgebiet Schillerpromenade und – nach Mieterinformationen – für den verkauften Block Berthelsdorfer Straße/Ecke Donaustraße.

Die Einrichtung von Milieuschutzgebieten im Bereich der Germaniapromenade und in Britz wurde ohne Aussprache beschlossen. DIE LINKE setzt sich schon seit Langem für einen flächendeckenden Milieuschutz im Norden Neuköllns ein. Gut, dass dies jetzt mit den Stimmen von LINKEN, SPD und Grünen beschlossen wurde.

Nachdem das Recherchekollektiv 030 Bilder vorgelegt hatte, die den AfD-Bezirksverordneten Christian Blank mit Vertretern des Neonazi-Netzwerks „Nationaler Widerstand Berlin“ (NW Berlin) und anderer rechter Strukturen zeigen, verzichtete dieser nach nunmehr zwölf erfolglosen Versuchen auf eine erneute Kandidatur für den Vorstand der BVV und verließ anschließend die Versammlung.

DIE LINKE hatte vier mündliche Anfragen gestellt, von denen aus Zeitgründen nur eine in der Sitzung beantwortet werden konnte: „Betroffenen des Brandes in der Hermannstraße helfen“. Am 22. Februar war in den Kellerräumen des Wohn- und Geschäftsgebäudes Hermannstraße/Ecke Okerstraße ein Brand ausgebrochen. 32 Menschen wurden von der Feuerwehr aus Lebensgefahr gerettet.

Vor den vertagten Drucksachen wurden auf Vorschlag der LINKEN die Anträge „CariSatt-Laden in der Steinbockstraße für Menschen mit Behinderung besser zugänglich machen“ (Grüne) und „75 Jahre Befreiung vom Faschismus angemessen in Neukölln gedenken“ (LINKE) in der Tagesordnung vorgezogen. Der Antrag der Grünen wurde angenommen. Nach der Begründung des Antrags der LINKEN durch Thomas Licher musste die Sitzung wegen eines unerträglichen Redebeitrags des AfD-Bezirksvorordneten Steffen Schröter unterbrochen und der Ältestenrat einberufen werden. Der AfD-Redner hatte sich nicht nur völlig im Ton vergriffen und inhaltlichen Unsinn von sich gegeben, sondern auch einem Teil der BVV den „Stinkefinger“ gezeigt. Nach der Unterbrechung war der AfD'ler allerdings nicht bereit, sich für sein Fehlverhalten zu entschuldigen. Der Antrag der LINKEN wurde schließlich mit 46 Ja- gegen 5 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen.

Die erste vertagte Drucksache, die behandelt wurde, war eine Große Anfrage von Marlis Fuhrmann von der LINKEN zum geplanten Neubau des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz. Der Käufer der Karstadt-Warenhauskette möchte anstelle des derzeitigen Gebäudes die gigantische Fassade mit den beiden Türmen von 1929 wiedererrichten. Neben dem Warenhaus sollen in dem Gebäude weitere Nutzungen, wie etwa Büros, untergebracht werden. Dafür möchte der Signa-Konzern rund eine halbe Milliarde Euro ausgeben. Das Karstadt-Kaufhaus befindet sich zwar auf Kreuzberger Gebiet und eine mögliche Baugenehmigung müsste dort erteilt werden. Der Neubau würde aber mit einer Umgestaltung des Hermannplatzes einhergehen, für die das Bezirksamt Neukölln zuständig wäre. Als Alternative zu einem Neubau wurde in der Debatte vorgeschlagen, das derzeitige Kaufhausgebäude aus der Nachkriegszeit zu ertüchtigen, energetisch zu sanieren und zu dämmen. Das weitestgehend ungenutzte Parkhaus und der Innenhof könnten umgestaltet werden, aber es sind keine neuen Doppeltürme mit Büronutzung am Hermannplatz nötig. Aus Sicht der LINKEN braucht Neukölln ein funktionierendes Kaufhaus am Hermannplatz - und keinen neuen „Konsumtempel“ für Besserverdienende.

Gegen Ende der Sitzung wurde noch eine Anfrage der AfD behandelt, zu der sich für DIE LINKE Ahmed Abed äußerte.