Bericht von der Bezirksverordnetenversammlung am 13.06.12

Linksfraktion in der BVV

1. Einwohnerfragestunde

2. Dringliches: Kostenüberschreitung bei HzE

3. Schließung der Kielhornschule/ sonderpädagogisches Förderzentrum

4. Mündliche Anfragen

5. Bildung

6. Kinderarmut

7. Sonstiges

1. Einwohnerfragestunde

Die Juni-BVV startete mit fünf Fragen von Einwohnern. Dabei ging es um die Personalsituation in den Bürgerämtern und die Situation an der Karl-Weise- bzw. Karlgarten-Grundschule.
Da der Fragesteller aus einem anderen Bezirk kam, wurde die Frage nach der äußerst angespannten Situation an den Neuköllnern Bürgerämter ausgesprochen überheblich beantwortet und als nicht so gravierend eingeschätzt. Dabei hatte die Neuköllner Verwaltung vor einigen Wochen bei einer Umfrage der Berliner Zeitung zu der Frage der Kundenzufriedenheit den letzten Platz eingenommen. Nach wie vor sind die sechs zusätzlichen Stellen bei den Bürgerämtern unbesetzt.
Bei den drei Fragen zur Karl-Weise-Grundschule ging es um die Sanierung der Aula, die Besetzung der Schulleiterstelle und der Begabungsförderung. Weiter wurde auch nach der Begabungsförderung an der Karlsgarten-Schule gefragt und nach der Umwandlung der Karlsgarten-Schule zu einer gebundenen Ganztagsschule.

2. Dringliches: Kostenüberschreitung bei den „Hilfen zur Erziehung“ (HzE)

Von allen Parteien wurde die Dringlichkeit einer Anfrage zu den erwarteten Überschreitungen der Ausgaben im Bereich „Hilfen zur Erziehung“ (HzE) anerkannt. Auf die konkrete Frage, wie viel Geld im Haushalt für die Pflichtaufgaben „Hilfe und Erziehung“ vorgesehen ist, nannte der Jugend- und Gesundheitsstadtrat 45,2 Mio. Euro. Beim Fortschreiben der HzE-Ausgaben werden allerdings bis zum Jahresende Ausgaben in Höhe von 49,2 Mio. Euro zu erwarten sein. Damit ergibt sich voraussichtlich ein Minus von 4 Mio. Euro für das laufende Jahr. Schon in den vergangenen Jahren musste im Bereich HzE weitaus mehr Geld für die gesetzliche Pflichtaufgabe aufgewendet werden, als im Haushalt dafür vorgesehen war. Hier zeigt sich ganz klar, dass der Neuköllner Bezirkshaushalt unterfinanziert ist. In der Haushaltsberatung hatte die Fraktion DIE LINKE diesen Umstand zu Recht angekreidet und den Bezirkshaushalt im Frühjahr folgerichtig abgelehnt.
Als zuständiger Finanzdezernent ist Bürgermeister Buschkowsky scheinbar beratungsresistent und hat trotz besseren Wissens für die „Hilfen zur Erziehung“ im Bezirkshaushalt für 2012/13 viel zu wenig Mittel zur Verfügung gestellt.
In diesen Bereich war es in den vergangenen Jahren regelmäßig zu Überschreitungen gekommen. Deshalb mussten dann im Spätsommer immer die Verträge der präventiv tätigen Träger in der Kinder- und Jugendarbeit gekündigt werden. Später konnten dann die Kündigungen wieder zurückgenommen werden.
Damit zeigt sich, dass - unabhängig von der Person bzw. Partei des Jugendstadtrats - das mehrheitlich von der SPD geführte Bezirksamt nicht bereit ist, diese gesetzliche Pflichtaufgabe ausreichend zu erfüllen und dafür die dringend notwendigen Haushaltsmittel bereitzustellen.
Auf die zweite Frage nach den konkreten Maßnahmen zur Einsparung der 4 Mio. Euro im Bereich Jugend verweigerte der zuständige Stadtrat Liecke die Auskunft und erklärte, dass er erst den Jugendhilfe- und Hauptausschuss informieren werde.
Darauf hin wurde die BVV-Sitzung unterbrochen und der Ältestenrat einberufen. Doch auch nach dem Ältestenrat blieb die Neuköllner Zählgemeinschaft aus SPD und CDU bei ihrer Position, dass der CDU-Stadtrat nicht antworten müsse und erst in den zuständigen Ausschüssen darüber beraten werden müsse. Hier verweigert das Bezirksamt die konkrete Beantwortung der Frage in der Bezirksverordnetenversammlung und es zeigt sich - aus meiner persönlichen Sicht - einmal mehr der ausgesprochene Mangel an demokratischen Umgangsformen.

3. Schließung der Kielhornschule/sonderpädagogisches Förderzentrum

Recht kurzfristig wurde von der Schulstadträtin eine Vorlage zur Beschlussfassung zur Aufhebung einer Schule mit Sonderpädagogischen Förderschwerpunkt vorgelegt. Ohne Beratung in den zuständigen Ausschuss wurde in der letzten Sitzung der BVV vor den Ferien mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und Piraten, bei Enthaltung der Fraktion der LINKEN und der Grünen beschlossen, die Kiehlhorn-Schule zum Ende des alten Schuljahres aufzugeben und einen Teil der Kinder an die Karlsgarten-Schule zu verweisen.
Die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiges und richtiges Ziel und auch DIE LINKE fordert eine Politik die Inklusion vorantreibt. Doch die Art und Weise wie diese Schließung durchgedrückt wurde, ohne dass die Fragen der Sicherstellung der Beschulung der Kinder im Detail geklärt erden konnten, ist sehr unbefriedigend. Hoffentlich wird bei den nach und nach erfolgenden Schließungen der anderen Förderzentren frühzeitiger informiert, sodass die offenen Fragen vorab geklärt werden können. Keinesfalls darf die Schließung der sonderpädagogischen Förderzentren als zusätzliche Einsparmöglichkeit ausgenutzt werden, bspw. durch das Wegstreichen der Stellen der Sonderpädagogen. Weiter ist die intensive Betreuung der Kinder und Jugendlichen sicherzustellen. Die Lehrer und Erzieher sollen mit den Kindern an die neuen Schulen wechseln. Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif.

4. Mündliche Anfragen


Auf die Frage von Marlis Fuhrmann nach dem „Bündnis für Wohnen und Mieten“, antwortete das Bezirksamt sehr unkonkret und gab an, dass es sich um ein landesweites Bündnis handele, bei dem die Bezirke so gut wie keinen Einfluss haben.
Auch das bezirkliche „Bündnis für Wohnen“ in Lichtenberg scheint kein nachahmungsfähiges Modell für das Neuköllner BA zu sein.
Die Frage „Prävention durch Zigarettenwerbung“ an den Jugend- und Gesundheitsstadtrat von der CDU Liecke war besonders bemerkenswert. Im Rahmen einer Spendenübergabe war der Stadtrat auf PR-Fotos eines namhaften Zigarettenherstellers abgelichtet worden.
Bei der Frage nach Bildungsgutscheinen vom Jobcenter Neukölln für eine berufsqualifizierende Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege berichtete der Sozialstadtrat, dass es zwar mehr Bildungsgutscheine gebe, diese werden aber überwiegend für kürzere „Ausbildungen“ eingesetzt. Damit wird eine Chance vertan, Menschen nachhaltig zu einer beruflichen Perspektive zu verhelfen. Während das Bezirksamt eine Image-Kampagne für Pflegeberufe plant und dafür 50 000 Euro ausgeben möchte, wird im Jobcenter Neukölln für kurzfristige Steigerungen der Zahlen der vergebenen Bildungsgutscheine, auf einen positiven Beitrag zur Beseitigung von Pflegenotstand verzichtet.

5. Bildung

Das Thema Bildung zog sich wie ein roter Faden durch die Juni-BVV. Nach der ersten Großen Anfrage „Chancengleiche Beschulung“ zeigte sich, dass in einer Reihe von Grundschulen es zu hohem Unterichtsausfall kommt. Zum Beispiel fallen in der Konrad-Agahd-Grundschule 4,7 % und in der Theodor-Storm-Grundschule 4,2% des Unterrichts aus.
Leider konnte ­das BA keine genauen Angaben machen, ob der Unterrichtsausfall an bestimmten Grundschulen in einem Zusammenhang mit dem Nichtbestehen des Probejahrs an den Gymnasien steht. Besonders unbefriedigend ist die Untätigkeit von Bezirk und Senat, etwas für die Förderung der Schüler zu unternehmen. Obwohl sich schon im ersten Halbjahr bei 107 Schülern an Neuköllner Gymnasien abzeichnete, dass bei ihnen das Bestehen des Probejahrs gefährdet ist. Die Fraktion DIE LINKE hatte damals vom BA gefordert (Drucksache - 0129/XIX), dass für diese Schüler eine besondere Förderung durchgeführt werden soll. Während man in anderen Bezirken mit einer besonderen Förderung erfolgreich war und eine Reihe von Schülern doch noch das Probejahr absolviert hat, ist vom Neuköllner BA zu Förderung viel zu wenig unternommen worden. Am Ende wurden 108 Neuköllner Schüler abgeschult und für sie müssen jetzt zusätzliche Kapazitäten an den Sekundarschulen geschaffen werden.
Besonders um die Karlsgarten-Grundschule drehten sich viele Fragen. Schon bei der Bürgerfragestunde wurde nach den Karl-Weise- und Karlsgarten-Grundschule gefragt. Bei der Schließung des Sonderförderbereichs wird ein Teil der Kinder an die Karlsgarten-Grundschule wechseln. Leider kann die Karlsgarten-Grundschule nicht - wie ursprünglich geplant - zur gebundenen Ganztagsschule ausgebaut werden, weil die Räume der Kurt-Löwenstein-Oberschule nicht frei werden. In dem Gebäude an der Hasenheide werden als Außenstelle der Zuckmayer-Oberschule zwei „Rückläufer-Klassen“ für Schüler gebildet, die das Probejahr am Gymnasium nicht bestanden haben. Weiter ist in der ehemaligen Löwenstein-Oberschule eine Gruppe für Kinder aus Bulgarien und Rumänien mit besonderer Sprachförderung gebildet worden. Zwei weitere „Rückläufer-Klassen“ werden an der Alfred-Nobel-Oberschule gebildet.

6. Kinderarmut in Neukölln

Die Fraktion DIE LINKE hatte nach der Kinderarmut in Neukölln gefragt und es kamen besorgniserregende Zahlen auf den Tisch. Über 23.000 Kinder in Neukölln beziehen Transferleistungen nach SGB II und Ähnliches. Das ist eine unerträglich hohe Zahl und zusätzlich kommen noch die Kinder aus Familien mit geringen Einkommen aus prekären Arbeitsverhältnissen dazu. Das ist - im wahrsten Sinne des Wortes - ein Armutszeugnis.

Auf die Frage nach dem von der Bundesregierung geplanten Betreuungsgeld antwortete ­das BA, dass es das Betreuungsgeld für kein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Kinderarmut in Neukölln hält. Schön, dass es in dieser aktuellen Frage scheinbar über alle Parteien in der BVV Neukölln eine klare Aussage gibt. Aber dann sollen bitte die Vertreter der Neuköllner CDU bei der Bundesfamilienministerin Schröder vorstellig werden und dieses unsinnige Betreuungsgeld verhindern. Das geplante Betreuungsgeld setzt die falschen Anreize und verhindert den weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen.

7. Sonstiges

Nach einer Großen Anfrage zum Thema Rechtsradikalismus und Gewalt im Neuköllner Sport wurde das Thema „VHS im Einkaufszentrum“ als zweite Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE behandelt. Mit der Anfrage wurde auch der Antrag der LINKEN „Mietkosten sparen und VHS-Kursangebot ausweiten“ zur Abstimmung gestellt. Die Parteien der Zählgemeinschaft halten das Kursangebot der VHS im Einkaufszentrum Neuköllner Tor für eine gute Sache und möchten das Angebot in weitere Einkaufszentren ausweiten. Dafür sollen alleine für Umbaumaßnahmen im kommenden Jahr 100.000 Euro bereitgestellt werden. Zusätzlich kommen noch die Betriebs- und Mietkosten hinzu. Dabei ist das vielfältige Angebot der VHS bereits aus finanziellen Gründen gefährdet.

Die Parteien der Zählgemeinschaft haben erst gegen eine Überweisung des Antrages in den zuständigen Ausschuss gestimmt und dann den Antrag im Plenum abgelehnt. Das war besonders unverständlich, weil vorher alle Parteien im Konsens einen Antrag beschlossen haben, der das BA auffordert, sich beim Senat dafür einzusetzen, dass die Mehrkosten der Honorarerhöhung der Lehrer von VHS und Musikschulen durch das Land übernommen werden. Besonders bei den für Neukölln wichtigen Integrationskursen darf es nicht zu Angebotskürzungen kommen.
Eigentlich ist es eine gute Sache, wenn versucht wird, die VHS-Kurse näher an die Menschen zu bringen und über die Schulen hinaus andere Räumlichkeiten zu verwenden. Aber in der momentanen Situation, wo die Finanzierung der berechtigten Honorarerhöhung der Lehrer an VHS und Musikschule noch nicht geklärt ist und es möglicherweise durch Angebotsreduktion finanziert werden muss, halten wir die Ausdehnung des Angebots der VHS auf Einkaufszentren für rausgeschmissene Steuergelder.
Die Debatte in der BVV am 13.06.12 hat die „besondere Wertschätzung“ des Bezirksamts gefunden. Während um die Lösung der unterschiedlichen Probleme des Bezirkes im Plenum von den Bezirksverordneten aller Parteien beraten wurde, hat sich der Bürgermeister, der Baustadtrat und der Jugend- und Gesundheitsstadtrat scheinbar mehr für das zeitgleich stattfindende Fußballspiel Deutschland-Holland interessiert und es an einem „Smartphone“ verfolgt. Schade, dass die Vertreter des Bezirksamtes sich so wenig für die Probleme der Neuköllner interessieren.

Fraktionsvorsitzender Thomas Licher / Fraktionsmitarbeiter Moritz Wittler