DIE LINKE zum Bezirkshaushalt: „Bezirk ist unterfinanziert und falsche Schwerpunkte wurden gesetzt“

Am 23.09.2015 hat die Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln mit den Stimmen von SPD und CDU die Bezirkshaushalte für die kommenden beiden Jahre gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE beschlossen. Neuköllner Bezirkshaushalt wurde damit innerhalb von nur drei Wochen durchgepeitscht.

Am 23.09.2015 hat die Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln mit den Stimmen von SPD und CDU die Bezirkshaushalte für die kommenden beiden Jahre gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE beschlossen. Die Mehrheit der Piraten und die Fraktion der Grünen haben sich bei der Abstimmung enthalten. Die Haushalte umfassen für das Jahr 2016 die Summe von ca. 813 Mio. Euro und für das Jahr 2017 den Betrag von 833 Mio. Euro.

Der größte Teil der Summen beinhaltet reine Transferaufgaben, auf die der Bezirk keinerlei Einfluss hat. Aber wegen der gestiegen Steuereinnahmen im Land Berlin müssen zum ersten Mal seit längeren keine Kürzungen vorgenommen werden und es bestand sogar im Bezirk ein kleiner Spielraum zur politischen Gestaltung. Dieser Handlungsspielraum wurde nicht bzw. falsch genutzt und alle finanzwirksamen Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen, wie zum Beispiel „Geld für Flüchtlingsarbeit“ und „Vorbereitungskurse für Gesundheitsberufe“ wurden abgelehnt. Stattdessen hat der Bezirk 90.000 Euro für die „100 Jahrfeier des Körnerpark“ bereitgestellt. Mit diesem Geld wird in der Zeit von Mai bis August 2016 im Vorwahlkampf zur Berliner Abgeordnetenhauswahl eine aufwendige Feier organisiert, wo sich voraussichtlich die Bürgermeisterin und die Stadträte medienwirksam präsentieren können.

Dass es keinerlei Interesse an einer ausführlichen Beratung des Haushaltes von den Fraktionen von SPD und CDU gab, zeigte sich auch daran, dass für die Haushaltberatungen die Redezeit der Fraktionen auf 5 bzw. 10 Minuten begrenzt werden sollte. Nach einer längeren Sitzungsunterbrechung und hitzigen Diskussionen einigte man sich auf 15 Minuten Redezeit pro Fraktion. 

 

An dieser Stelle dokumentieren wir das Skript der Rede des Fraktionsvorsitzenden der Fraktion DIE LINKE Thomas Licher:

 

Neuköllner Bezirkshaushalt ist von der Senatskoalition aus SPD und CDU unterfinanziert und die politischen Schwerpunkte im Bezirk sind falsch gesetzt worden.  

Der Neuköllner Bezirkshaushalt ist ein Teil des Berliner Landeshaushalts und deshalb ist auch immer ein Blick auf die Landesebene notwendig. Im Gegensatz zu den letzten beiden Haushaltsberatungen hat sich aber die Finanzsituation des Landes Berlin wesentlich verbessert. Im letzten Jahr hat das Land Berlin einen Überschuss von 826 Mio. Euro erzielt. Auch für das laufende Haushaltsjahr 2015 wird laut amtlicher Prognose ein Überschuss von 174 Mio. Euro erwartet. 

Das große Problem ist, dass von den Mehreinnahmen im Land viel zu wenig in Neukölln ankommt. Wenn etwas ankommt, dann in den diversen Sonder-Programmen. Diese Programme wie beispielsweise zur Schlaglochbeseitigung oder zur Schultoilletensanierung sind zwar sinnvoll. Aber bei den Programmen gibt es in der Regel sehr kurze Bearbeitungsfristen und häufig fehlt das Personal, um die vorgesehen Mittel innerhalb der vorgegeben Zeitrahmen zu verwenden. Könnten das die Bezirke nicht in Eigenverantwortung viel sinnvoller bearbeiten? Hier wäre beispielsweise eine pauschale Erhöhung der bezirklichen Eigenmittel geeigneter. DIE LINKE im Abgeordnetenhaus fordert für alle Bezirke pauschal 7.5 Mio. Euro mehr Eigenmittel.  Wenn wir schon bei der Schulsanierung sind: Wenn in den vergangenen fünf Jahren der Sanierungsstau im Schulbereich von 80 Mio. auf 140 Mio. angewachsen ist, dann bedarf es an dieser Stelle dringend auch in Neukölln eine andere Haushaltspolitik. Für den Flughafen BER, der aktuell wieder wegen zu schwerer Lüfter Schlagzeilen macht, steht scheinbar jederzeit unbegrenzt Geld zu Verfügung. Das Thema Bildung wird im Widerspruch zu allen Sonntagsreden, dass Bildung Vorrang haben soll, nach wie vor „sehr stiefmütterlich“ behandelt. 

Dass vom Senat dem Bezirk Neukölln ca. 65 neue Stellen zugebilligt werden, ist überfällig, reicht aber nicht aus und hat für die Bürgerinnen und Bürger von Neukölln kaum einen Vorteil. Die Stellen dienen in erster Linie der Erfüllung von neuen Aufgaben und sind deshalb kaum eine Verstärkung. In den vorausgegangen Spar- und Personalabbaurunden wurde vom Bezirksamt das Personal soweit reduziert, dass im Bezirk ca. 150 VZÄ (Vollzeitäquivalente) weniger beschäftigt waren, als nach dem Vorgaben des Senates zur Erfüllung der Aufgaben vorgesehen sind. Diese Stellen fehlen nach wie vor in vielen Bereichen. Zum Beispiel sind die Wartezeiten in den Bürgerämtern unerträglich lang und die Zuweisung von einer einzigen weiteren Stelle für diesen Bereich wird sich kaum auf die Verbesserung der Situation auswirken. Angesichts der verbesserten Finanzsituation im Land, müsste jetzt endlich das Personal relevant aufgestockt werden. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen vom Arbeitsdruck entlastet werden und die Bürgerinnen und Bürger endlich wieder gute öffentliche Dienstleistungen erhalten.

Dringend werden weitere Stellen im Bereich Bürgerämter, Soziales, Gesundheit, Jugendhilfe und der Wohnungsaufsicht benötigt. Meine Fraktion DIE LINKE begrüßt es, dass zumindest die unsinnige Personalabbau-Politik im Land ein Ende hat. Wenn jetzt wieder Feuerwehrleute eingestellt werden ist das sehr sinnvoll. Wir sind aber besorgt, dass der rot-schwarze Senat die Stellen für den Verfassungsschutz massiv erhöht. Der Verfassungsschutz soll zu den ca. vorhandenen 200 Stellen weitere 45 hinzubekommen. Der gleiche Personalzuwachs würde für das Bezirksamt Neukölln umgerechnet bedeuten, dass wir ca. 360 zusätzliche Stellen bekommen würden. Auch für diese idealistische Zahl hätten wir sicher sinnvolle Verwendung im Bezirk.  Mehr Mitarbeiter für den Verfassungsschutz machen bestenfalls nichts, im  schlimmsten Fall finanzieren sie rechte Netzwerke, wie es scheinbar in Thüringen passiert ist. Auch in Berlin fällt die Behörde nur durch eklatantes Fehlverhalten auf. So wurden Aktenbestände vernichtet, um sich der demokratischen Kontrolle zu entziehen und damit die Ermittlungen zu den NSU-Morden behindert. Diese Behörde sollte nicht aufgewertet, sondern geschlossen werden.

Aber zurück zu den 45 Stellen. Wenn wir diese auf die 12 Bezirke verteilen, würde Neukölln vier davon erhalten. Diese vier Stellen würde ich mir in der Flüchtlingsarbeit des Bezirkes wünschen und damit könnte die „aktive Willkommenskultur“ ein großes Stück weiterentwickelt werden.

An der zunehmenden Armut in Neukölln hat auch die Reduzierung der offiziellen Arbeitslosenzahlen nichts geändert. Immer mehr Menschen rutschen unter die Armutsgrenze. Auch in Neukölln müssen viele Menschen trotz Vollzeitarbeit auf das Niveau von Hartz IV aufstocken. Die Beschäftigten in Leiharbeit und mit Werkverträgen sind permanent unterbezahlt und ständig von Arbeitslosigkeit bedroht. Gerade deshalb brauchen wir in Neukölln eine gut funktionierende Verwaltung mit ausreichendem Personal.   Auch in Neukölln sind falsche Prioritäten gesetzt worden. Das einzig positive an diesem Haushalt ist, dass dieses Mal keine Kürzungen erfolgen. Der Wachschutz vor Schulen ist jedoch nach wie vor tätig. Hier wäre die Verwendung der Mittel für pädagogisches Personal viel sinnvoller.

Bei dem zu beschließenden Haushalt handelt es sich zu hundert Prozent um einen Vorschlag des Bezirksamts. An keiner Stelle ist etwas an diesem Haushaltsentwurf durch Eingaben von Bürgern verändert worden. Im ersten Teil der Bürgerbeteiligung gab es zwei Anregungen von Neuköllner Bürgern. Diese wurden zwar im zuständigen Ausschuss beraten, hatten aber keinerlei Einfluss auf den Neuköllner Bezirkshaushalt. Im zweiten Teil der Bürgerbeteiligung gab es keinerlei Eingaben von Bürgerinnen und Bürger aus Neukölln. Nach dem in der Vergangenheit regelmäßig Eingaben von Bürgern abgebügelt wurden, braucht man sich nicht zu wundern, wenn immer weniger kommt. Hier ist für die nächste Haushaltsberatung dringend eine neue Form der Bürgerbeteiligung zu finden.  DIE LINKE unterstützt den Antrag der Piraten, der auf die Möglichkeit weiterer aktiver Einflussnahme der BVV bei zusätzlichen Zuwendungen für 2017 abzielt und die weiteren Entscheidungen nicht allein dem Bezirksamt überlassen möchte. Auch der Antrag der Grünen für zusätzliche bezirkliche Mittel für Flüchtlingsarbeit wird von uns unterstützt. Leider sind auch bei dieser Haushaltsberatung fast alle Änderungsanträge und sonstigen Verbesserungsvorschläge der Opposition in den Ausschüssen durch die Vertreter der Zählgemeinschaft aus SPD und CDU abgelehnt worden. Es wurde sich noch nicht mal die Mühe gemacht, auf die Vorschläge länger inhaltlich einzugehen. 

  Man konnte sich des Eindrucks nicht verwehren, dass die Fraktionen der großen Koalition im Bezirk ihre Aufgabe der Haushaltsberatung nicht ernst genommen und nur als verlängerter Arm des Bezirksamts gehandelt haben. Besonders bemerkenswert fand ich die Aussage einer Bezirksverordneten in einem Ausschuss, dass die Mittel zur 100-Jahrfeier Körnerpark schon verplant wären. Ich kann mich des persönlichen Eindrucks nicht verwehren, dass diese Haushaltsberatung eine Scheinberatung ist. Von Anfang an scheinen die Mittel schon fest verplant zu sein.  DIE LINKE schlägt hingegen vor, die Summe von 70.000 Euro im Jahr 2016 und 2017 statt für die Körnerparkfeier zusätzlich zur Ausweitung des Angebotes für das Interkulturelle Beratungs- und Begegnungszentrum e.V. zweckgebunden für die Ausweitung des Projektes zur Vorbereitung von jungen Frauen und Männern für eine Ausbildung in Pflegeberufe zur Verfügung zu stellen. Das Geld ist dort auf jeden Fall sinnvoller eingesetzt, als es für die vom Bezirksamt geplante „100 Jahr Feier des Körnerparks“  zu verwenden.  Die Gestaltung des Bezirkshaushaltes ist eine der zentralen Aufgaben der  Bezirksverordnetenversammlung. Wenn der nur insoweit nachgekommen wird, dass regelmäßig die Vorgaben des Bezirksamtes unreflektiert durchgewunken werden, besteht die Gefahr, dass bei der nächsten Sparrunde die Senatsverwaltung für Finanzen beim Haushaltsposten Bezirksverordnetenversammlung größeres Einsparpotential sieht.  Meine Damen und Herren Bezirksverordneten, Ich appelliere an Sie lassen Sie es nicht so weit kommen. Bitten nehmen Sie bei der nächsten Haushaltsberatung den Gestaltungsspielraum aktiver wahr.

Dieser Bezirkshaushalt ist massiv unterfinanziert und die politischen Schwerpunkte sind falsch gesetzt worden. Aus diesem Grund wird die Fraktion DIE LINKE in der BVV Neukölln aus Verantwortung für die Neuköllnerinnen und Neuköllner den Bezirkshaushalt für 2016/17 ablehnen. 

Thomas Licher Haushaltspolitischer Sprecher und Fraktionsvorsitzender der Fraktion DIE LINKE in der BVV Neukölln