Neuköllner Bezirkshaushalt ist trotz guter Haushaltslage unterfinanziert und die politischen Schwerpunkte sind im Bezirk zum Teil falsch gesetzt worden.

Die Fraktion DIE LINKE. in der BVV Neukölln lehnt den Doppelhaushalt 2020/21 ab. In seiner Begründung verweist der Fraktionsvorsitzende Thomas Licher auf falsch gesetzte Schwerpunkte.

Der Neuköllner Bezirkshaushalt ist ein Teil des Berliner Landeshaushalts und deshalb ist auch immer zu Beginn der Blick auf die Landesebene notwendig. Im Gegensatz zu den unerträglichen Personalabbau- und Sparorgien der letzten Wahlperiode hatte sich schon bei der letzten Haushaltsberatung 2018/19 die Finanzsituation des Landes Berlin  wesentlich gebessert. Das positive Ergebnis aus den Jahren 2016/17 wurde von den Superergebnissen in den letzten beiden Jahren übertroffen. Nachdem  im Jahr 2017 das Land Berlin einen sagenhaften Überschuss von 2,1 Mrd. Euro erzielt hatte, wurde das im letzten Jahr noch übertroffen und das Land Berlin hatte im letzten Jahr einen Überschuss von 2,4 Mrd. Euro.

Das große Problem ist, dass von den Mehreinnahmen im Land Berlin viel zu viel in die Schuldentilgung geht und zu wenig in Neukölln ankommt. Wenn etwas zusätzlich in Neukölln ankommt, ist es fast immer für neue Aufgaben und nur selten für die bessere Erledigung der laufenden Aufgaben vorgesehen.

Die jetzt auch im Land Berlin gesetzlich zu regelnde „Schuldenbremse“ wird von der LINKEN grundsätzlich abgelehnt. Wenn sie eingeführt werden muss, soll sie in einer weichen Form im Rahmen der Landeshaushaltsordnung eingefügt werden. Die Schuldenbremse darf nicht fest in die Landesverfassung geschrieben werden, damit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bei zurückgehenden Einnahmen der Bezirk weiter für die Neuköllnerinnen und Neuköllner tätig sein kann. Nicht wie in der jüngeren Vergangenheit, wo die Bezirke bis an dem Rand der Handlungsunfähigkeit durch Spardiktate gelähmt wurden.

Dieses Spardiktat hat unter anderem zu einem massiven Investitionsstau bei der Infrastruktur geführt. Regelmäßig wird über mangelhafte Instandhaltung von Brücken und schlechte Ausstattung von Feuerwachen in Berlin berichtet. Auch die Schulen sind besonders betroffen.

Obwohl Neukölln den größten Teil seiner Instandhaltungsmittel in die Schulsanierung gesteckt hatte, gibt es auch in Neukölln größeren Nachholbedarf. Im Juni 2016 berichtete die damalige Bürgermeisterin Giffey in der Antwort auf eine große Anfrage der LINKEN von einem Instandhaltungsbedarf  bei den Schulen in Höhe von 452 Mio. Euro in Neukölln. Weiter hieß es 2016, mit den zu erwartenden baulichen Kosten für die Inklusion ist von einer Gesamtsumme von ca. 480 Mio Euro für die Neuköllner Schulen auszugehen. Bei der aktuellen Preissteigerung im Baubereich ist jetzt die Frage: wie hoch ist aktuell der Sanierungsbedarf an den Neuköllner Schulen?

Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass in diesem Doppelhaushalt eine große Teilsumme für den Neubau der Clay-Schule und der Leonardo-da-Vinci-Schule eingestellt wurde. Damit werden die Provisorien für die Schüler*innen und Lehrer*innen hoffentlich bald ein Ende haben. Weiter wird somit ein Beitrag zur Bereitstellung von ausreichend Schulplätzen geleistet.

Das Thema Bildung ist der LINKEN wichtig. Deswegen setzten wir uns für gute Lernbedingungen an den Neuköllner Schulen ein. Zu einem guten Lernumfeld gehört eine saubere Schule. Deshalb ist es gut, dass 390 000 Euro für das Projekt „Tagesreinigungskräfte an Schulen“ im Haushalt eingestellt sind. Aber wir finden, das ist nicht ausreichend. DIE LINKE beantragt in einem Änderungsantrag diese Summe auf 1 Mio. Euro anzuheben. Dazu sollen ein Teil der Mittel für das Sicherheitskonzept im Rathaus verwendet werden. Die Sicherheit der MitarbeiterInnen im Rathaus ist uns wichtig. Aber wir wollen nicht, dass das Rathaus zu einer „Festung“ umgebaut wird und die BesucherInnen mit ihren berechtigten Anliegen den Eindruck bekommen, dass sie „Störenfriede“ sind. Für einen Wassergraben - wie aktuell am Reichstag geplant - wäre am Rathaus Neukölln sowieso kein Platz.

Das vom Senat dem Bezirk Neukölln ca. 50 neue Stellen zugebilligt werden, ist erst mal gut. Die Bürger*innen von Neukölln haben davon aber nur teilweise einen Vorteil. Die Stellen dienen in erster Linie der Erfüllung von neuen Aufgaben und sind kaum eine Verstärkung. In den vorausgegangen Spar- und Personalabbaurunden wurde vom Bezirksamt das Personal soweit reduziert, dass diese Stellen nach wie vor in vielen Bereichen fehlen. Zum Beispiel sind die Wartezeiten in den Bürgerämtern nach wie vor sehr lang. Die Zuweisung der wenigen Stellen wird kurzfristig nicht zur Verbesserung der Situation beitragen, weil erst mal die Mitarbeiter*innen gefunden und diese dann eingearbeitet werden müssen. Trotzdem ist es ein erster guter Schritt zur Verbesserung der personellen Situation im Bezirk.

Trotz der guten wirtschaftlichen Lage des Landes Berlin sind nach wie vor viele Menschen in Neukölln auf Transferleistungen vom Jobcenter angewiesen. Deshalb ist es gut, dass die BVV den Antrag für eine Schlichtungsstelle beim Jobcenter angenommen hat. Deshalb beantragt die LINKE eine kleine Summe für die Verwirklichung dieses Beschlusses in nächsten Doppelhaushalt einzustellen.

Aus Sicht der LINKEN sind in diesem Doppelhaushalt teilweise die falschen Prioritäten gesetzt worden. Wo die Priorität richtig gesetzt wurde, ist beim Thema Bürgerbeteiligung. Wir begrüßen es außerordentlich, dass 350 000 Euro für Bürgerbeteiligung im Haushalt eingeplant sind. Leider wird hier nicht konkret festgelegt, wofür das Geld verwendet werden soll. Es ist zu befürchten, das es nicht oder nur zum Teil für Bürgerbeteiligung verwendet wird und der Rest zum Ausgleich von auftretenden Defiziten dient.

Die Fraktion DIE LINKE beantragt in einen Änderungsantrag zum Haushalt für eine „Tourismuslenkung durch Beteiligungsformate“ eine Summe von jeweils 12 000 Euro für z.B. Mediation im Rahmen von „Runden Tischen“. Die Frage des Tourismus beschäftigt die Menschen im Bezirk und hier besteht Handlungsbedarf. Weiter beantragt DIE LINKE, dass die Erstellung von Gutachten zu „Nachuntersuchungen der Anwendungsvoraussetzungen der Sozialen Erhaltungsgebiete“ mit im Haushalt vorgesehen werden. Dafür sollen Gelder eingestellt werden, um die  Sozialen Erhaltungsgebiete auch künftig abzusichern.

Die Unterlagen zur Haushaltsberatung sind mal wieder nur bedingt verständlich und in einem
finanzwissenschaftlichen Fachchinesisch gehalten. Deshalb ist es bemerkenswert, dass es zu diesen Haushaltsberatungen trotzdem 83 Eingaben von Bürger*innen aus Neukölln gegeben hatte. Schade, dass sie nur so wenig davon Eingang in den Haushalt gefunden haben. Deshalb greift die LINKE das Thema Ausbau der „Fraueninfrastruktur“ im Süden von Neukölln auf und beantragt eine Stelle (VZÄ) für diese wichtige Aufgabe im Bezirk.

Ich bin überrascht wie wenig Engagement von den anderen Oppositionsfraktionen in diesen Haushaltsberatungen gezeigt wurde. Die Gestaltung des Bezirkshaushaltes ist eine der zentralen Aufgaben der  Bezirksverordnetenversammlung.  Wenn der nur soweit nachgekommen wird, das die Vorgaben des Bezirksamtes unreflektiert durchgewunken werden, kann die Gefahr bestehen, das bei der nächsten Sparrunde (und die nächste Sparrunde kommt bestimmt) die Senatsverwaltung für Finanzen beim Haushaltsposten Bezirksverordnetenversammlung größeres Einsparpotential sieht.

Dieser Bezirkshaushalt ist massiv unterfinanziert und die politischen Schwerpunkte sind teilweise falsch gesetzt worden. Aus diesem Grund wird die Fraktion DIE LINKE in der BVV Neukölln aus Verantwortung für die Neuköllnerinnen und Neuköllner den Bezirkshaushalt für 2020/21 ablehnen.

Thomas Licher
Haushaltspolitischer Sprecher und Fraktionsvorsitzender der Fraktion DIE LINKE in der BVV Neukölln