Neuköllner BVV-Sitzung fünf Minuten vor Schluss abgebrochen

Linksfraktion in der BVV

Die Sitzung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung am 26. September endete fünf Minuten vor dem offiziellen Ende mit dem Beschluss die Sitzung abzubrechen. Der Abbruch wurde mit einer „aufgeheizten Atmosphäre“ begründet und mit den Stimmen der Zählgemeinschaft (SPD/CDU) durch Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Die Sitzung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung am 26. September endete fünf Minuten vor dem offiziellen Ende mit dem Beschluss die Sitzung abzubrechen. Der Abbruch wurde mit einer „aufgeheizten Atmosphäre“ begründet und mit den Stimmen der Zählgemeinschaft (SPD/CDU) durch Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Vorangegangen waren verschiedene sehr kontroverse Debatten und ein Aktion von BürgerInnen Neuköllns, die auf der Zuschauertribüne mit dem Twitter-Hashtag „#Bashkowsky" gegen den populistischen Inhalt der Vorabdrucke von Buschkowskys neuem Buch „Neukölln ist überall“ protestierten und des Saales verwiesen wurden.

Die unmittelbare Ursache des Sitzungsabbruchs war ein Redebeitrag von dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion DIE LINKE Thomas Licher. Seine Wortmeldung erfolgte in der Debatte nach der Großen Anfrage der CDU-Fraktion mit dem Titel „Leben Zweit- und Drittfrauen auf Staatskosten?“. In der Anfrage wurde nach Fällen von Sozialmissbrauch durch nach islamischen Recht geschlossenen Mehrfachehen gefragt. Dabei ging es dem Fragesteller wohl um die Vermutung, dass Zweit- und Drittehefrauen, eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft darstellen, obwohl sie in einem "eheähnlichen Verhältnis" leben.

Dazu erklärt die Fraktion DIE LINKE: "Wir halten die Stoßrichtung und den Inhalt dieser Anfrage für rechtspopulistisch und sehen darin erheblichen Alltagsrassismus enthalten. Einerseits werden hier muslimische Mitbürger exklusiv unter Verdacht gestellt. Es ging nicht darum, dass es auch bei Nichtmuslimen Grenzfälle gibt, bei denen nicht immer klar ist, ob es sich bereits um eine Bedarfsgemeinschaft handelt oder nicht, und damit auch hier „Sozialmissbrauch“ stattfinden könnte. Andererseits ist die Fraktion DIE LINKE der Ansicht, dass Sozialmissbrauch kein großes Problem in Neukölln darstellt. Das Sozialstaatssystem ist wegen der verfehlten Politik der Agenda 2010 aus den Fugen geraten und nicht durch vereinzelte Fälle von Sozialmissbrauch. Anfragen wie diese lenken von den Verantwortlichen für den Sozialabbau ab und richten Aufmerksamkeit gegen Minderheiten und sozial Ausgegrenzte."

Besonders empörten sich Bezirksverordnete der Zählgemeinschaft aus SPD und CDU an der Aussage des DIE LINKE-Fraktionsvorsitzenden Thomas Licher, dass mit solchen parlamentarischen Initiativen der bürgerlichen Parteien ausländerfeindliche und rechtsextreme Inhalte gesellschaftlich hoffähig gemacht werden. Das es hier durchaus Anknüpfungspunkte gebe, sehe man nicht zuletzt daran, dass ein entsprechender Zeitungsartikel mit dem Titel „Zweit- und Drittfrauen kassieren als ´Alleinerziehende´ ab“ (siehe: http://www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/polygamie-staatskosten-spd-berlin-neukoelln-abzocke,7169128,17190250.html) auf einschlägigen rechtsextremen Internetblogs zitiert und gelobt werde. Auch die Aussage, dass die Anfrage auch von der Partei ProDeutschland kommen könnte, sorgte für Aufregung. Die Fraktion der LINKEN ist weiterhin dieser Meinung. Dies bedeutet nicht, dass es sich nach Meinung der Fraktion der LINKEN bei der CDU um eine rechtsextreme Partei handelt. Vielmehr wollen wir darauf hinweisen, dass es in manchen Situationen Anknüpfungspunkte der Rechtsextreme an die bürgerliche Mitte gibt. Diese Anknüpfungspunkte sind gefährlich und die Fraktion sieht es weiterhin als ihre Aufgabe auf diese Gefahren hinzuweisen.

Auch die Aussage, dass mit solchen Anfragen und Initiativen das friedliche Zusammenleben in Neukölln auf Dauer gestört wird, sorgte für Empörung. Dazu lässt sich anmerken, dass in einer Situation in der es fast tagtäglich zu religiösen Provokationen gegenüber Muslimen kommt, in der Vorurteile gegenüber Muslimen bis in den Mainstream vorgedrungen sind und Muslime einem zunehmenden Alltagsrassismus ausgesetzt sind, bergen solche Aussagen und Unterstellungen tatsächlich Gefahren für einen Bezirk wie Neukölln, in dem sich ein erheblicher Teil als Muslim versteht.

DIE LINKE betrachtet den Abbruch der Sitzung als unnötig und ungerechtfertigt.