Stolpersteine gegen das Vergessen in Neukölln

Um dem drohendem Aufstieg rechtsextremer Kräfte überall auf der Welt entgegenzutreten, ist es gut, wenn Geschichte sichtbar gemacht wird. Gestern am 22. Juni wurden an drei Orten in Neukölln Stolpersteine verlegt, die an den letzten freiwillig gewählten Wohnort von vier Neuköllner*innen erinnern werden, die sich den faschistischen Kräften entgegenstellten.

Der erste Stein wurde in der Brusendorfer Str. 23 zu Ehren von Anton und Anna-Maria Grylewicz verlegt. Als Metallarbeiter aus Berlin-Neukölln gehörte Anton Grylewicz, während des Ersten Weltkrieges, zu den Revolutionären Obleuten, die Streiks gegen den Krieg organisierten. Durch die Novemberrevolution wurde er zum stellvertretenden Polizeipräsidenten in Berlin. Später trat er in die Kommunistische Partei Deutschlands ein und arbeitete in der Organisationsabteilung der Zentrale. Er war kommunistischer Abgeordneter in Neukölln, im preußischen Landtag und auch kurzzeitig im Reichstag.

In seiner Wohnung in der Brusendorfer Straße 23, die er mit seiner Frau Anna-Maria bewohnte,  gab er die Wochenzeitung “Permanente Revolution” heraus. Zu Beginn der 1930er Jahre wäre eine Einheitsfront aller Arbeiter*innenorganisationen notwendig gewesen, um sich gegen die Nazis zu verteidigen. Doch die größten Kräfte wie SPD und KPD weigerten sich, zusammenzustehen — nur wenige Stimmen plädierten für eine solche Einheitsfront, darunter die Linke Opposition der KPD, der auch Anton Grylewicz. Anton flüchtete in die Tschechoslowakei, während Anna-Maria kurzeitig verhaftet wurde. Sie folgte ihrem Mann kurze Zeit später nach Prag. Ende 1937 flieht das Ehepaar nach Paris. 1939 wurden beide aus Deutschland ausgebürgert und beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frankreich interniert. 1941 flohen Anna-Maria und Anton Grylewicz von Frankreich nach Kuba. In den 1950er Jahren kehrt das Ehepaar in den Westteil Berlins zurück. 

In der Donaustr. 114  lebte Walter Schulz. Der gelernte Maschinenbauer war Mitglied im Roten Frontkämpferbund (RFB) – dem paramilitärischen Wehrverband der KPD –und beteiligte sich an der Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten in Berlin. Später arbeitet er als Obsthändler im Berliner Straßenhandel, ab 1931 war er arbeitslos. Ab Juni 1931 agiert er als Untergauführer des RFB für Tempelhof, Treptow, Baumschulenweg, Ober- und Niederschöneweide. Am 22. Dezember 1931 wurde er aufgrund angeblicher Beteiligung an mehreren Raubüberfällen verhaftet und wegen „Anstiftung zum schweren Raub und Hehlerei“ zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt. Im sogenannten „Richardstraße-Prozess“ wird Schulz von den Nationalsozialisten wegen des Mordes an einem Mitglied der Sturmabteilung (SA) aus dem Jahr 1931 in der Richardstraße 35 angeklagt. Insgesamt fallen am 29. Februar 1936 fünf Todesurteile gegen kommunistische Widerstandskämpfer. Unter ihnen auch Walter Schulz. Am 8. Juli 1937 wurde Walter Schulz in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Der Stein am Kottbusser Damm 88-89 erinnert an das Leben der Jüdin Elise Poser. Geboren wird sie am 5. Juni 1881 in Breslau und wohnt von 1934 bis zu ihrer Deportation am Kottbusser Damm. Am 14. November 1941 wird Elise Poser mit 1000 weiteren Jüdinnen und Juden im Transport der „Welle V“ aus Berlin in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wird sie ermordet.

Stolpersteine gedenken der Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und/oder ermordet wurden. Die Verlegung wird von den Patinnen und Paten der Stolpersteine begleitet. Stolpersteine kann jeder stiften. 120 Euro ermöglichen die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteines.