Sind Investoreninteressen am Hermannplatz wichtiger als die Bedürfnisse der Neuköllner*innen?

Carla Aßmann

Wie viele „intensive Gespräche“ des Bezirksamts mit der Signa (Morgenpost, 8.10.2019) haben bisher stattgefunden, welche Vertreter*innen des Bezirksamts und seiner Ämter waren dabei jeweils zugegen und welche Überlegungen gibt es seitens des Bezirksamts bezüglich einer „Anpassung“ der Planungen für eine Umgestaltung des Hermannplatzes an das Vorhaben der Signa?

Sowohl mit dem für Stadtplanung zuständigen Bezirksstadt Herrn Biedermann als auch mit mir als Bezirksbürgermeister haben Gespräche mit Vertreter*innen von Signa stattge- funden. Im März 2019 fand ein Gespräch von Herrn Biedermann im Bezirksamt Neukölln sowie ein weiteres Gespräch bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zusammen mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg statt. An beiden Gesprächen nahmen Mitarbeitende aus dem Fachbereich Stadtplanung teil. Im Juni 2019 habe ich mit Vertreter*innen von Signa ein Gespräch im Bezirksamt geführt, an diesem nahmen Mit- arbeitende der Wirtschaftsförderung teil. Bei diesem Gespräch war auch die Umgestal- tung des Hermannplatzes Gegenstand der Erörterungen. Dabei ging es insbesondere da- rum, wie ein Hermannplatz mit weniger Verkehr und mehr Aufenthaltsqualität für die An- wohner*innen aussehen kann. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass dieses Ziel ein ge- meinsames ist.

Im Zusammenhang mit dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept aus dem Jahr 2016 be- findet sich der Hermannplatz mit dem Warenhaus und der Hasenheide (Neue Welt) in einer Hauptlage entlang der Karl-Marx-Straße und dem Kottbusser Damm. Gleichzeitig ist der Hermannplatz ein bedeutender Identifikationspunkt für Neukölln und seine Bewoh- ner*innen. Durch eine Revitalisierung des Gebäudes würde der Hermannplatz eben jene Zentrumsfunktion wiedererlangen.

Die Zukunft des Hermannplatzes als einer der wichtigsten Plätze in unserem Bezirk wird uns in den kommenden Jahren auch unabhängig von Signa beschäftigen. Einerseits wird in wenigen Jahren eine Straßenbahn am Hermannplatz vorbeifahren. Zum anderen wird die Baustelle der Sanierung der Karl-Marx-Straße in einigen Jahren am Hermannplatz angekommen sein. Schließlich gilt es, auch am wichtigsten Verkehrsknotenpunkt an der Grenze zu Kreuzberg das Mobilitätsgesetz umzusetzen. Das alles sind Voraussetzungen, die bei der Neugestaltung des Hermannplatzes berücksichtigt werden müssen. Alleine schon deshalb können die über 10 Jahre alten Planungen nicht aufrecht erhalten werden können. Ich will deshalb im kommenden Jahr mit den Neuköllner*innen darüber ins Ge- spräch kommen, wie der Hermannplatz in Zukunft aussehen kann.

Wie steht der Bürgermeister zu der Expertise des Stadtplanungsamts, nach der das derzeitige Vorhaben der Signa die städtebauliche Struktur der Umgebung sprengen und schädliche soziale und wirtschaftliche Effekte haben würde?

Die Ersteinschätzung des Fachbereichs Stadtplanung basiert auf einer Analyse, die Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen skizziert. Diese decken sich weitestgehend mit meiner Einschätzung. Insbesondere der Hinweis, dass eine weitere Mall an diesem Standort nicht sinnvoll ist und dass der Charakter des Warenhauses erhalten bleiben sollte trifft meine uneingeschränkte Zustimmung.

Der Fachbereich stellt darüber hinaus klar, dass die Schwächen und Risiken in einem weiteren Vertiefungsprozess durch Anpassung des Projekts möglichst verringert und ver- mieden werden müssen. Hierzu bedarf es laut Ersteinschätzung einer Konkretisierung des Nutzungskonzepts mit dem Ziel, eine Kiezbezogenheit des Projekts herzustellen.

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Signa hat in den genannten Gesprächen ausgeschlossen, an diesem Standort eine Mall zu errichten und gleichzeitig zugesagt, Bedarfe des Quartiers, sowohl sozial als auch wirt- schaftlich, zu berücksichtigen. Unter anderem deshalb führt SIGNA eine Umfrage im Quartier durch, um die Bedarfe der Neuköllner*innen und Kreuzberger*innen abzufragen und diese in das Nutzungskonzept einfließen lassen zu können. Ergebnisse hierzu kenne ich noch nicht.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Niemand gibt Investoren einen Freischein, zu bauen was sie wollen. Aber genauso wenig werde ich mich hinstellen und laut Nein! rufen, weil jemand ein neues Gebäude entwickeln und Geld in unserem Bezirk investieren möchte.

Der Hermannplatz wird in 10 Jahren anders aussehen als heute, und Neukölln wird an- ders aussehen als heute. Unsere Verantwortung hier im Raum ist es dafür zu sorgen, dass die Menschen, die hier leben, auch weiterhin hier leben – aber besser leben können, mit besseren Verkehrskonzepten, mit mehr Nachbarschaftlichkeit, mit mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität. Dafür werden sich Dinge verändern müssen. Wir haben es in der Hand, sie zu gestalten. Für ein Festhalten an einem unbefriedigenden Status quo ist hier im Raum niemand gewählt worden.