Klare Kante gegen Privatisierung von Schulliegenschaften?

Thomas Licher

Im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive plant die Senatsverwaltung, Schulen von der landeseigenen aber privatrechtlich organisierten Wohnungsbaugesellschafts HOWOGE bauen und sanieren zu lassen.Wir kritisieren diese Pläne, weil mit der Übertragung der Liegenschaften an die HOWOGE kaum absehbare Risiken verbunden sind. Das sah auch die BVV Neukölln so und hat sich auf unsere Initiative in einer Entschließung gegen die Privatisierungspläne bekannt. Jetzt ist bekannt geworden, dass auch ein Schulneubau in der Oderstr. 5 von der HOWOGE übernommen werden soll. Handelt das Bezirksamt damit gegen einen Beschluss der BVV? Wir fragen nach.

 

1. In wessen Eigentum befindet sich das Grundstück Oderstr. 5?

Das Grundstück Oderstraße 5 / Hermannstraße 99, 100, 101, 102 mit einer Gesamtgröße von 75.431 m2 befindet sich im Eigentum des Evangelischen Friedhofsverbands Berlin Stadtmitte.

2. Trifft es zu, dass im Rahmen des geplanten Neubaus einer Integrierten Sekundarschule in der Oderstr. 5 durch die HOWOGE die genannte Liegenschaft im Erbpachtverfahren an die HOWOGE übergeht und der Bezirk dieses nach Fertigstellung der Schule für einen Zeitraum von min. 25 Jahren zurückmieten muss?

Die Errichtung neuer Schulen sowie die Abarbeitung von Großschadensfällen wurden im Senatsbeschluss S-469/2017 auf dem Wege der Amtshilfe der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen als Aufgabe zugewiesen. Die HOWOGE soll in Abstim- mung mit der Senatsverwaltung einen Teil der Neubauten von Schulen übernehmen, um eine zeitnah erforderliche Bereitstellung bzw. Sicherung von Schulplätzen in Hinblick auf die wachsende Stadt gewährleisten zu können. In diesem Zusammenhang ist die Bestel- lung von Erbbaurechten an den landeseigenen Grundstücken zugunsten der HOWOGE erforderlich. Das bedeutet, dass das Land Berlin das Grundstück behält und die HOWOGE das Recht erhält, hierauf ein Gebäude zu errichten.

Die neu gebauten Schulgebäude vermietet die HOWOGE an die Bezirke. Basis dafür ist eine reine Kostenmiete, die den Kapitaldienst, die Erbbauzinsen und geringe laufende Verwaltungskosten beinhaltet. Nach Ablauf der Mietzeit von mindestens 25 Jahren läuft das Erbbaurecht automatisch aus und die Schulgebäude gehen in das Eigentum der Be- zirke über.

Der Rahmenvertrag, der zwischen der Senatsverwaltung für Finanzen und der HOWOGE geschlossen werden soll, befindet sich in der Detailabstimmung auf Staatssekretärs- ebene. Der Abschluss ist für Oktober 2018 geplant. Der Vertag bildet die Legitimations- grundlage für das Tätigwerden der HOWOGE.

3. Inwiefern gilt mit Bezug auf die Antwort auf Frage 2 der Wortlaut der Drucksache 0384/XX „Keine Privatisierung beim Schulbau“, in der sich die Bezirksverordnetenversammlung dazu bekennt, dass „die Schulliegenschaften bei Neubauten dauerhaft in der Hand des Bezirks bleiben sowie etwaige Mietzahlungen an andere Institutionen und Unternehmen, wie bspw. Wohnungsbaugesellschaften, verhindert werden“ müssen?

Das Bezirksamt kann den Unmut darüber nachvollziehen, dass der Senat der Entschlie- ßung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung offensichtlich kein Gehör ge- schenkt hat. Allerdings muss das auch etwas relativiert werden. Wie das Bezirksamt be- reits im Rahmen der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage zu diesem Thema darauf hingewiesen hat, wird der Bezirk sowohl die Schulneubauten am Campus Rütli – CR2 und am Campus Efeuweg als auch die Neubauten für die Clay-Schule und das Leonardo-da- Vinci-Gymnasium in Eigenregie errichten. Die Grundschule am Koppelweg wird die Se- natsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bauen. Somit bleibt mit der Gemein- schaftsschule Oderstraße letztendlich nur ein Schulneubau in Neukölln, der über die HOWOGE abgewickelt werden soll. Ganz so kritisch, wie die anfragestellende Fraktion, sieht das Bezirksamt das nicht.

Die HOWOGE ist in öffentlicher Hand, das heißt sie gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin genauso wie die anderen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder etwa die BSR und BVG. Die HOWOGE unterliegt dem öffentlichen Vergaberecht wie auch die- selben einheitlichen, von der Taskforce Schulbau zu entwickelnden Partizipationsverfah- ren Anwendung finden. Die Einflussnahme- und Informationsrechte der Bezirke als Schul- träger bleiben unberührt. Gleiches gilt für die im Schulgesetz verankerten Beteiligungs- rechte der schulischen Gremien.

Wie bereits zur Teilfrage 2 ausgeführt, verbleiben die Grundstücke im Landeseigentum. Lediglich Rechte an den Grundstücken, auf denen gebaut wird, gehen in Form eines Erb- baurechtes zeitlich begrenzt für circa 25 Jahre an die landeseigene Gesellschaft über. Die HOWOGE bekommt also für diese Zeit das Recht, auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten oder zu unterhalten. Auch wenn die von der HOWOGE errichtete Schule für diese Zeit dem Unternehmen gehört, so ist auch das ist insofern keine Privatisierung, als die HOWOGE ebenfalls im Eigentum des Landes ist.

Der Berliner Finanzsenator hat zur Frage der Rolle der HOWOGE bei der Berliner Schul- bauoffensive einmal folgendes gesagt: „Wenn die HOWOGE eine Wohnung baut, ist eseine öffentliche Wohnung. Wenn die HOWOGE eine Kita baut, ist es eine öffentliche Kita.Wenn die HOWOGE eine Schule baut, dann soll sie plötzlich privat sein.“ Dies ist aus Sicht des Bezirksamtes nicht völlig von der Hand zu weisen. Die anfängliche Skepsis des Bezirksamtes ist nicht nur insoweit etwas in den Hintergrund getreten, sondern vor allem auch angesichts der Zusicherung des Senats, dass die Bezirke durch die Übernahme der Bauverpflichtung durch die HOWOGE nicht schlechter gestellt werden, als wenn die Se- natsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Baumaßnahme übernehmen würde. Es wird insbesondere sichergestellt, dass für die Bezirke kein finanzieller Nachteil entsteht.

Auch wenn es der anfragestellenden Fraktion natürlich freisteht, schon heute eine Grund- satzdiskussion zu führen, so erlaubt sich das Bezirksamt dennoch den Hinweis, dass ver- mutlich noch Jahre ins Land gehen werden, bis in der Oderstraße der Bau einer Schule in Angriff genommen werden kann. Derzeit ist das Grundstück noch eine Friedhofsfläche, ohne dass es sich im Eigentum des Landes Berlin befindet oder das erforderliche Pla- nungsrecht für eine Gemeinbedarfsfläche existiert.

Hier geht es zur Entschließung "Keine Privatisierung beim Schulbau".
Einen dazugehörigen Antrag finden Sie hier.