Anlauf- und Registerstelle konfrontative Religionsbekundung

Fragen und Antworten zum Projekt „Anlauf- und Registerstelle konfrontative Religionsbekundung“

Warum ist das viel zitierte Projekt „Anlauf- und Registerstelle konfrontative Religionsbekundung“ so problematisch?

Das Projekt ist vom Verein Demokratie und Vielfalt e.V. (DeVi) getragen, dessen Leiter, Michael Hammerbacher, als Sprecher der Initiative Pro Neutralitätsgesetz im Februar 2021 eine solche Anlauf- und Registerstelle gefordert hat. Sein Ziel ist, dass so juristisch "nachweisbar" wird, dass das Kopftuchverbot an Berlins Schulen sinnvoll ist. Dafür nutzt das Projekt fadenscheinige Methoden und führte eine unwissenschaftliche "Studie" durch, in einer sogenannten Bestandsaufnahme.

Der Begriff der "konfrontativen Religionsbekundung" taucht schon länger in den Medien auf und wird von vielen Wissenschaftler:innen als diskriminierendes Konzept wahrgenommen. Allein schon wenn ein Schüler statt Gott "Allah" sagt, kann als "konfrontative Religionsbekundung" aufgefasst werden. Der Begriff verwischt das altersbezogene Mobbing und sugerriert, dass vor allem muslimische Kinder andere Kinder auf Grund der Religion ausgrenzen würden. Dieser Diskurs dockt so an der rassistischen Annahme an, dass nicht soziale Probleme oder die finanzielle Situation der Schüler:innen Grund für problematisches Verhalten ist, sondern vielmehr Religion oder Herkunft eine Rolle spielen.

Was steht in der von DeVi durchgeführten Bestandsaufnahme?

Um Gründe für die "Anlauf- und Dokumentationsstelle" zu finden, hat DeVi eine „Bestandsaufnahme“ veröffentlicht, die wissenschaftlich genannt wird, aber schwerwiegende methodische Fehler enthält. Diese „qualitative Erhebung“ beinhaltet die Befragung einiger Lehrkräfte von 10 Schulen (von 58 in Neukölln), sie ist nicht repräsentativ und erfüllt keine wissenschaftlichen Standards (selbst der Leitfaden wurde nicht veröffentlicht).

Ausgewählte Zitate von einzelnen Schüler:innen, die in den Interviews auftauchen, wurden von Boulevardmedien (BZ,Bild) aufgegriffen und als vermeintliche Erkenntnisse aus der "Wissenschaft" dargestellt. Die Stigmatisierung von muslimischen Kindern wird so vorangetrieben.

Bei dieser sogenannten „Bestandsaufnahme“ wurden außerdem keine Schüler:innen, keine Eltern oder andere Akteur:innen befragt. Es wirkt so, als sollten Gründe für die „Anlauf- und Registerstelle“ gefunden werden, auf Grundlage von pseudowissenschaftlichen Erhebungen. Das Problem der „konfrontativen Religionsbekundung“ wird also einseitig und ohne Einordnung aufgebauscht. Dies befeuert die Stigmatisierung von muslimischen Jugendlichen auf Grundlage einer unwissenschaftlichen und tendenziösen Erhebung.

Was hat es mit dem Leiter von DeVi auf sich? Ist das Ganze politisch motiviert?

Der Leiter des Projekts, Michael Hammerbacher, verfolgt als Sprecher der Initiative Pro Neutralitätsgesetz weitere Ziele. Im Februar 2021 hat er innerhalb von Pro Neutralitätsgesetz ein Projekt gefordert, damit nachgewiesen werden kann, dass das Kopftuchverbot für Lehrerinnen den Schulfrieden gefährdet. Hintergrund dafür war die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, dass das Verbot des Kopftuches bei Lehrerinnen nur bei "einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden" gerechtfertigt sei.

Diese Registerstelle einzuberufen ist politisch motiviert, um Argumente für das Kopftuchverbot zu sammeln und diese juristisch vorzuweisen.Dieses Projekt dient nicht vorrangig dem „Schulfrieden“, sondern soll Argumente liefern, warum muslimische Lehrerinnen kein Kopftuch an Schulen tragen sollen.

Wie wird das Projekt bislang finanziert?

Bürgermeister Martin Hikel und SPD-Jugendstadträtin Mirjam Blumenthal unterstützen das Projekt. Die Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci hatte sich zunächst erfolglos beim Bundesfamilienministerium für das Projekt eingesetzt.Das Familienministerium erklärte im Ablehnungsbescheid, dass bereits unterstützende Strukturen bestehen, 2/3 der gemeldeten Fälle an Schulen keine Radikalisierungstendenzen aufwiesen und sich anders darstellten als behauptet. Nach weiterem Einsatz der Integrationsbeauftragten Balci wurde das Projekt für zunächst für 3 Monate mit 59.000,- Euro gefördert.

Mittlerweile haben sich im Abgeordnetenhaus sowohl die CDU als auch die AfD-Fraktion für eine  weitere Finanzierung des Projekts ausgesprochen. DIE LINKE in der BVV-Fraktion Neukölln lehnt die weitere Finanzierung entschieden ab und fordert eine Einstellung des Projekts.

Was fordert DIE LINKE. in der BVV-Neukölln stattdessen?

Die beste Antwort auf die Frage, wie die Situation an den Schulen verbessert werden kann, um die Schulen zu entlasten und sich um die Probleme, Wünsche und Konflikte der Schüler*innen zu kümmern ist die Einstellung von mehr Lehrpersonal, Sozialpädagog:innen oder Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Lehrkräfte berichten vor allem darüber, dass sie mit den vielschichtigen sozialen Problemen und der schlechten Ausstattung überfordert sind. Bestehende Hilfsprojekte wie die Respect Coaches oder Antidiskriminierungsstellen sollten mehr Unterstützung finden.

Eine Anlauf- und der Registerstelle, wie sie geplant ist, wäre keine Verbesserung, sondern würde lediglich zu einer Stigmatisierung von muslimischen und von Ausgrenzung betroffenen Kindern und Jugendlichen führen. Vielmehr ist ja schon im neuen Koalitionsvertrag auf Landesebene beschlossen: Es soll eine unabhängige Informations- und Beschwerdestelle für Antidiskriminierung und Inklusion an Schulen beim Berliner Parlament angesiedelt werden. Diese ist dann für alle Formen von Diskriminierung oder Mobbing Anlaufstelle. Wichtig ist, dass diese neue Stelle mit genügend Personal ausgestattet wird. Dasfür muss in den jetzt laufenden Haushaltsverhandlungen genügend Geld bereit gestellt werden.