Shisha-Bar-Razzien gegen “Clankriminalität”

Eine Informationsbroschüre für Betroffene und die interessierte Öffentlichkeit

In den vergangenen Jahren gab es besonders in Neukölln häufig großangelegte Einsätze der Polizei und weiteren Behörden in Shishabars, Friseurläden und bei Verkehrskontrollen. In der Berichterstattung wurden diese Einsätze in Zusammenhang mit “Clankriminalität” gebracht. Dieser Zusammenhang wird auch von Lokalpolitikern wie dem Neuköllner Bürgermeister Hikel bekräftigt. Die Linksfraktion Neukölln kritisiert die razzienartigen Einsätze und den polizeipolitischen Ansatz dahinter. Im Folgenden gibt es einen Überblick über die Grundlage der Kritik.

"Clankriminalität" wird häufig in Verbindung mit Organisierter Kriminalität gebracht. Die Berliner Sicherheitsbehörden verstehen darunter allerdings jegliche Begung von Straftaten durch Angehörigen ethnisch abgeschotteter Subkulturen mit bestimmten Merkmalen. Ob es sich bei einem Delikt um Clankriminalität handelt oder nicht, wird also durch die Zuordnung der delinquenten Person zu einer Gruppe bestimmt, ganz gleich, um welche Straftat oder mithin Ordnungswidrigkeit es sich dabei handelt. Die Zuordnung einer Person zu einem "Clan" erfolgt in der Regel aufgrund ihres Namens. Sicherheitsbehörden arbeiten dabei mit Listen von Familiennamen. Weil auf diese Weise auch kleine Ladendiebstähle, wiederholtes Schwarzfahren, Verkehrsdelikte und sonstige Bagatelldelikte oder delinquentes Verhalten als Clankriminalität gewertet werden, wird die Statistik zu diesem Phänomenbereich künstlich aufgebläht. Delikte aus dem Bereich organisierter Kriminalität spielen im Phänomenbereich der "Clankriminalität" nur eine sehr untergeordnete Rolle. 

Aktuelle Erkenntnisse zum Phänomenbereich „Clankriminalität“ sind im Lagebild Organisierte Kriminalität Berlin 2020 zusammengefasst. Aus dem Lagebericht geht hervor, dass die sogenannte Clankriminalität nur etwa 1/6 der Verfahrenskomplexe in Berlin (10 von 64) im Bereich der organisierten Kriminalität ausmacht. Die Gruppierungen aus dem Bereich der „Clankriminalität“ verursachten durch ihre Straftaten im Jahr 2020 einen ermittelten Schaden in Höhe von rund 75.000 €. Der Gesamtschaden durch organisierte Kriminalität in Berlin im Jahr 2020 wird mit knapp 59.000.000 Euro beziffert. Im Zuge ihrer Aktivitäten erwirtschaften die Tatverdächtigen aus dem Bereich „Clankriminalität" im Berichtsjahr einen kriminellen Ertrag in Höhe von mindestens rund 482.000 €. Zum Vergleich dazu lagen die kriminelle Gesamterträge in Berlin im gleiche Zeitraum bei knapp 19.000.000 Euro.

Aufgrund der relativ geringen Bedeutung der „Clankriminalität“ im Vergleich zum Gesamtfeld der organisierten Kriminalität, ist fraglich, warum nur hier so ein großer öffentlichkeitswirksamer Aufwand betrieben wird. So steht der Schaden durch “Clankriminalität” nicht ansatzweise in einem Verhältnis zu den 36 Milliarden Euro Steuerschaden durch den Cum-Ex-Skandal. Bei dieser Betrugsmasche haben sich Investoren durch schnellen An- und Verkauf von Aktien die Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten lassen. 

Die Shisha-Bar-Razzien sind Teil des administrativen Ansatzes zur Bekämpfung von „Clankriminalität“. Mit administrativen Ansatz ist dabei der Versuch gemeint, „vermeintliche Kriminalität zu verhindern, indem man sie als Problem der öffentlichen Ordnung definiert und mit Maßnahmen aus dem Ordnungsrecht reagiert. Es geht also um die möglichst kreative Verbindung von strafprozessualen mit verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, um die als zu eng empfunden Grenzen des Strafrechts zu überwinden.“ (Felix Rauls 2020)  Können die Sicherheitsbehörden Personen, die sie dem Phänomenbereich „Clankriminalität“ zuordnen, keine Straftaten nachweisen, so werden andere Behörden für ein restriktives und häufig medial inszeniertes Vorgehen instrumentalisiert. Besonders beliebt sich dabei gewerberechtliche Kontrollen durch die bezirklichen Ordnungsämter. Aber auch andere Behörden wie die für Schwarzarbeit zuständige Einheit des Zolls, das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen oder die Steuerfahndung kommen – häufig auch im Verbund – zum Einsatz.

Der administrative Ansatz wurde in Deutschland erstmals zur Bekämpfung der sogenannten Rockerkriminalität eingesetzt - hier vor allem in Verbindung mit Vereinsverboten und dem Verbot des Tragens von Kutten. Aber auch die rechtswidrige Räumung des Hambacher Forsts zeigt, inwiefern der administrative Ansatz gegen jegliche missliebige Gruppierungen angewendet werden kann. Die NRW-Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die Stadt Kerpen und den Kreis Düren angewiesen, die Baumhäuser der Braunkohlegegner:innen zu räumen. Diese Maßnahme  sollte nach Maßgabe vom Ministerium mit baurechtlichen Vorschriften (Brandschutz) begründet werden. Auch queere Clubs oder linke Lokale kennen das Vorgehen, dass gewerberechtliche Kontrollen zu rabiaten Razzien aufgebauscht werden. Als weiteres Beispiel ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für Organisationen wie attac oder die VVN-BDA zu nennen. Auch das Vorgehen gegen zivile Seenotrettungsorganisationen steht in diesem Kontext. Hier werden Schiffe mit verwaltungsrechtlichen Vorwänden stillgelegt oder im Hafen festgehalten.

In Berlin liegt die Zuständigkeit für die Gewerbeüberwachung in der Regel bei der Polizei sowie teils bei den bezirklichen Ordnungsämtern. Innerhalb der Berliner Polizei ist die Zuständigkeit für die Gewerbeüberwachung auf den Gewerbeaußendienst (GAD) übertragen, der in der Abteilung 3 des Landeskriminalamtes Berlin (LKA) im Dezernat 33 angesiedelt ist. Für den GAD gibt es einen eigenen Laufbahnzweig, in dem jedoch seit 2007 keine Ausbildungen mehr stattfinden. Heute ist der GAD personell erheblich ausgedünnt und nicht in der Lage, eine flächendeckende Gewerbeüberwachung zu gewährleisten.

Aufgrund der personellen Situation im GAD sowie in den bezirklichen Ordnungsämtern erfreuen sich Verbundeinsätze mit mehreren beteiligten Behörden größerer Beliebtheit. Dadurch können einerseits Kompetenzen gebündelt und Personalengpässe ausgeglichen werden, vor allem können Maßnahmen der Gewerbeüberwachung so besonders öffentlichkeitswirksam inszeniert werden. Abteilungen der Polizei, die nicht originär für Gewerbeüberwachung zuständig sind, nehmen regelmäßig an den Verbundeinsätzen teil. Besonders zu nennen sind hier die regional zuständigen Polizeiabschnitte, die ohne Anlass und Durchsuchungsbeschluss keine Maßnahmen in Gewerberäumen durchführen dürfen, und deshalb die Gewerbekontrollen als Trittbrett für eigene Zielstellungen nutzen.

Die Instrumentalisierung der übrigen Behörden durch die Polizei gibt der Leiter des Polizeiabschnitts 53 gegenüber dem Tagesspiegel ganz unverhohlen zu: „Der Bezirk diene über die Gewerbeaufsicht oft als Türöffner für die Polizei, die keine Möglichkeit habe, anlasslos einschlägig bekannte Lokale zu kontrollieren.“ Hat sich die Polizei auf diese Weise Zugang zu den Gewerberäumen verschafft, stellt sie auf eigene Faust Ermittlungen an und durchsucht beispielsweise die Räumlichkeiten sowie anwesende Personen und stellt Identitäten fest.

Es besteht Grund zur Annahme, dass es häufig keine Hinweise darauf gibt, dass sich in den von “Clanrazzien” betroffenen Lokalen und Gewerben Mitglieder eines „Clans“ zur Planung oder Begehung von Straftaten verabreden. In der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen heißt es, dass zur Frage der Anhaltspunkte für organisierte Kriminalität „aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben gemacht werden“ können, obwohl eine rein quantitative Angabe etwaige Ermittlungen in keiner Weise gefährden dürfte. Es ist daher davon auszugehen, dass es in vielen Fällen keinerlei Hinweise auf organisierte Kriminalität gibt. Dies bestätigt auch das “Lagebild Organisierte Kriminalität Berlin 2020”. Nur bei einem „sehr geringen Teil“ der vorliegenden Informationen und/oder Sachverhalte zum Phänomenbereich „Clankriminalität“ bestanden überhaupt Bezüge zur Organisierten Kriminalität, wie aus dem Lagebericht hervorgeht.

Die Polizei darf Gewerberäume oder Wohnungen nur dann betreten und durchsuchen wenn besondere strafrechtliche oder gefahrenabwehrrechtliche Gründe dafür vorliegen. Durchsuchungen dürfen außer bei Gefahr im Verzug nur durch den Richter angeordnet werden. Diese rechtlichen Hürden sind wichtig, weil sie Grundrechte schützen. Jedoch werden diese engen rechtlichen Vorgaben im Rahmen des administrativen Ansatzes umgangen. Gewerbekontrollen durch das Ordnungsamt oder andere Behörden können anlasslos erfolgen und bedürfen auch keiner richterlichen Anordnung. Durch die razzienartigen Kontrollen werden Grundrechte beeinträchtigt. Auf diese Weise wird auch die Kompetenz der Gerichte untergraben und der Grundsatz der Gewaltenteilung ausgehöhlt.

Das Handeln des Staats unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Dieses ist eine der Grundsäulen des Rechtsstaats und besagt, dass jede Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn sein muss. Bei den Shishabar-Razzien kann dabei insbesondere angezweifelt werden, inwiefern diese Voraussetzungen zutreffen. Die Bekämpfung organisierter Kriminalität ist ohne Zweifel ein legitimer öffentlicher Zweck. Unklar ist jedoch der Zusammenhang zwischen den kontrollierten Gewerben und organisierter Kriminalität. Die Kontrollen ähneln viel eher einer Rasterfahndung. Gewerbe, die aufgrund zweifelhafter Kriterien dem Milieu der “Clankriminalität” zugeschrieben werden, werden ohne konkrete Verdachtsmomente kontrolliert und bei dieser Gelegenheit anwesende Gäste kontrolliert sowie die Räumlichkeiten durchsucht. Dabei werden alle angetroffenen Personen pauschal verdächtigt, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten vorliegen. Diese massiven Grundrechtseingriffe ohne Vorliegen konkreter Verdachtsmomente scheinen weder geeignet, noch erforderlich, noch verhältnismäßig zu sein.

Eine Organisationsuntersuchung zur Struktur und Praxis der Gewerbeüberwachung im Land Berlin, beauftragt von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die „Befugnisse der Gewerbeüberwachung zur Informationsgewinnung und als Frühwarnsystem bezüglich der Kriminalitätsentwicklung genutzt" werden, was aus Sicht der Studienautor*innen rechtsstaatlich problematisch ist:

„Aus rechtsstaatlicher Sicht ist dies problematisch, weil hier eine unzulässige Vermischung von Aufgaben stattfindet, die streng voneinander zu trennen sind: Das ordnungsrechtliche Gewerbe recht ist von seiner Zielsetzung kein Türöffner für die Strafverfolgung und die gewerberechtlichen Eingriffs- und Überwachungsbefugnisse sind immer durch den gewerberechtlichen Schutzzweck begrenzt.“

Da die Auswahl der Gewerbe auch entlang ethnischer Merkmale erfolgt, liegt zudem der Verdacht von Racial Profiling nahe. Als Racial Profiling bezeichnet man ein häufig auf Stereotypen und äußerlichen Merkmalen basierendes Agieren von Polizei-, Sicherheits-, Einwanderungs- und Zollbeamt:innen, nach dem eine Person anhand von Kriterien wie „Rasse“, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft als verdächtig eingeschätzt wird und nicht anhand von konkreten Verdachtsmomenten gegen die Person. Zwar liegen keine genauen Erkenntnisse über die ethnische Zugehörigkeit, Religion oder nationale Herkunft der betroffenen Gewerbetreibenden und ihrer Gäste vor, allein aufgrund der Presseberichterstattung kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Kontrollen fast ausschließlich im migrantischen Milieu stattfinden.

Resultat der Kontrollen sind in erster Linie und wenig überraschend die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten. Ordnungswidrigkeiten im Gastgewerbe wie Verstöße gegen die Infektionsschutzverordnung oder das Tabakgesetz sind Alltag. 

Ein genauer  Blick auf die Verstöße zeigt zudem, dass es sich dabei um – zuweilen kafkaeske – Bagatellen handelt. So begehen Shisha-Bar-Betreiber beispielsweise eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie Shisha-Tabak in Gebinde mit 200, 500 oder 1.000 Gramm kaufen und diese dann portionieren. Der Vorgang ist vergleichbar mit dem portionsweisen Ausschank von Wodka aus einer Flasche - mit dem Unterschied, dass letzteres legal ist. Hinzu kommt, dass es keinen Markt für portionsweise verpackten Shisha-Tabak gibt, weshalb Shishabar-Betreiber kaum eine andere Möglichkeit haben, als immer wieder die Geldbuße zu zahlen.

Gelegentlich werden bei den Kontrollen auch strafrechtlich relevante Dinge entdeckt, wie verbotene Messer, Drogen in Verkaufsmengen oder illegale Glücksspielautomaten. Anders als eine mangelhafte Lüftungsanlage oder Verkehrsverstöße können solche Dinge in einem Zusammenhang mit organisierter Kriminalität stehen. Jedoch lässt das Verhältnis der ausufernden Kontrollen und relativ wenigen Funde solcher Art darauf schließen, dass es sich um Zufallsfunde handelt, die so auch an nicht derart stigmatisierten Orten möglich sind.

Das unspezifische Vorgehen bei den Razzien führt zwangsweise dazu, dass die Grundrechte vieler Menschen beeinträchtigt werden. In Mitleidenschaft geraten dabei nicht nur die Inhaber und Mitarbeiter der Gewerbe, sondern auch ihre Gäste. Gerade die teils rabiaten Polizeikontrollen können dazu führen, dass ohnehin schon marginalisierte Gruppen sich noch stärker von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt fühlen. 

Weil die Polizei zum Teil in großem Aufgebot und schwer bewaffnet auftritt und teils ganze Straßenzüge absperrt, kann der Eindruck entstehen, hier werden Straftäter verfolgt, obwohl keine konkreten Verdachtsmomente vorliegen.

Insofern die Razzien überwiegend auf kurdisches, türkisches und arabisches Gewerbe fokussieren, kann der Eindruck entstehen, dass vor allem Teile der türkisch-, kurdisch- bzw. arabischstämmigen Bevölkerungsgruppen organisierter Kriminalität nachgehen. Dies schürt nicht nur rassistische Vorurteile und Hass gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen, sondern lässt auch entsprechende Gewerbe wie beispielsweise Shishabars in den Fokus von rassistischen/islamfeindlichen Gewalttätern rücken.

Problematisch ist auch die Inszenierung in der Öffentlichkeit, die ein wichtiger Bestandteil des administrativen Ansatzes ist. Dadurch, dass die Polizei bei den Einsätzen dabei ist - häufig zudem in großen Aufgeboten - wird medial und in der Nachbarschaft der Eindruck erweckt, es ginge um ein gezieltes Vorgehen aufgrund von Straftaten. Dabei kann die Polizei konkrete Verdachtsmomente auf Straftaten nicht liefern. Durch die Pressebegleitung der Einsätze und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit von Polizei und Behörden wird alles von einer Verkehrskontrolle, über Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz bis hin zum Drogenfund unter “Clankriminalität” verbucht.

Im Rahmen des administrativen Ansatzes dehnen Sicherheitsbehörden die Grenze des rechtlich zulässigen aus. Damit begeben sie sich tendenziell auf die Ebene derer, denen sie Rechtsverstöße vorwerfen. Dies unterminiert das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht nur unter den unschuldig Betroffenen, sondern sendet auch bedenkliche Signale in Richtung von etwaigen Mitgliedern krimineller Strukturen. Denn gerade den Mitgliedern von „Clans“ wird vorgeworfen, dass sie sich vom deutschen Rechtsstaat abgrenzen und eine Paralleljustiz aufbauen. Im Kampf gegen Organisationen, die strukturell jenseits des Rechtsstaats agieren, muss der Staat sich an seine eigenen Regeln halten.

Auffällig ist, dass die Sicherheits- und Ordnungsbehörden bei ihrem Vorgehen auf eine breite mediale Inszenierung setzen. „Clans“ dienen insbesondere wegen der häufigen Thematisierung dieses Phänomens in den Medien - sei es in Reportagen oder fiktionalen Sendungen wie “Four Blocks” -  hervorragend dazu, eine Projektionsfläche für „das Kriminelle“ zu bieten. Durch die rabiaten Maßnahmen können sich die verantwortlichen Politiker, wie Berlins ehemaliger Innensenator Andreas Geisel oder der Bezirksbürgermeister von Neukölln, Martin Hikel, öffentlichkeitswirksam profilieren. Dabei können sie auch von Missständen wie zum Beispiel rechten Strukturen in den eigenen Sicherheitsbehörden ablenken. Darüber hinaus haben die Razzien auch einen Verdrängungseffekt, weil nach mehrmaligen Razzien die Kundschaft ausbleibt und die Umsätze zurückgehen. Gerade im stark von Gentrifizierung geprägten Norden von Neukölln, wo der überwiegende Teil der Razzien stattfindet, können so missliebige Gewerbetreibende vertrieben und die beabsichtigte Aufwertung des Stadtteils vorangetrieben werden. 

Häufig genug ist das Vorgehen der Behörden fehlerhaft: Bescheide werden unrechtmäßig ausgestellt, Durchsuchungen finden ohne Durchsuchungsbeschluss statt. Betroffene Gewerbetreibende sollten sich deshalb gewerberechtlich beraten lassen. Bei wiederholten Kontrollen verhärtet sich zudem der Verdacht auf Diskriminierung durch staatliche Stellen. Betroffene können sich an die Ombudsstelle Antidiskriminierung wenden.